#34 an #35:
Ich hatte das erste Mal hier geschrieben.
Das liest Du ganz richtig: Beziehung bedeutet für mich (fast) immer Kampf. Meist habe ich das Gefühl, dass ich mich auf etwas einlasse, von dem ich keine Ahnung habe, und mein Gegenüber nicht einschätzen kann.
Die Beziehung eines kleinen Kindes zu seinen Bezugspersonen ist die Grundlage für alle anderen Beziehungen. Wenn es fast keine anderen Möglichkeiten gibt, auch Beziehungen zu weiteren Personen aufzunehmen, z. B. weil nach Außen alles perfekt aussieht und niemand Anlass hat, in das Geschehen innerhalb einer Familie einzugreifen, werden auch keine anderen (positiven) Beziehungsmuster erfahren. Hinter dem schönen Schein kann sich, wie z. B. bei mir, verbergen, dass der Mann einen Sohn, also in gewisser Weise einen Nachfolger sucht, während die Frau allen Widerständen zum Trotz lieber ihr eigenes Leben leben möchte und dazu gehören keine Kinder. In dem Spannungsfeld zwischen dem Paar ist ein Kind, das da zufällig hineingeboren wird und weiblich ist, eine ständige Erinnerung an das eigene Versagen (kann/darf keinen Sohn zeugen ./. kann kein eigenständiges Leben führen und bin durch dieses Balg an einen ungeliebten Mann gebunden).
In einer solchen Situation ist es für ein Kind nicht möglich, eigene Bedürfnisse zu entwickeln, jedenfalls nicht Bedürfnisse, die sich auf zwischenmenschliche Kontakte beziehen. "Unsichtbar" sein, am Leben bleiben und warten, bis man alt genug ist, um sein Glück woanders zu suchen, das sind die einzigen Ziele.
Erst durch die Identifikation mit meiner Tochter (heute 22) habe ich eine Vorstellung davon bekommen, wie es sich anfühlt, Sicherheit und Geborgenheit in der Nähe eines Menschen zu empfinden. Aber erst durch die Beobachtung von Interaktionen zwischen anderen Personen und ihren Kindern konnte ich mich intensiver mit meinen (nicht gelebten) Gefühlen befassen.
Ein von Geburt an Blinder vermisst keine Farben und ein Tauber keine Musik. Dass es eine ganze Welt gibt, zu der ich keinen Zugang hatte, war mir wirklich nicht bewusst. Menschen, die an ihrer Mutter, ihren Eltern oder überhaupt an anderen Menschen hängen, hatte ich immer als unselbstständige, lebensunfähige Jammerlappen gesehen. Wer braucht schon Eltern? Wer braucht schon Menschen? Dass für mich aber Menschen im Grunde immer noch gefühllose Monster sind, ist eine Tatsache, der ich mich immer noch nicht so gerne stelle.
Meine Tochter hat keine Schwierigkeiten, Freundschaften zu knüpfen und Männer für sich zu begeistern. Obwohl sie in jeder neuen Beziehung viele Möglichkeiten für die Zukunft sieht, kann sie jeden Menschen seinen eigenen Weg gehen lassen, gegebenenfalls auch los lassen und sich neuen Menschen zuwenden. Wir haben immer noch eine sehr enge Beziehung und wenn ich mittlerweile auch nicht immer ihre erste Bezugsperson bin, so bin ich doch zumindest die zweite.
Uff, beantwortet das Deine Fragen? Natürlich ist das nur meine Geschichte. Die konkreten Gründe sehen für jeden Beziehungsphobiker anders aus.