Genau dieses unterscheidet uns Menschen von den restlichen Säugetieren: wir sind mentale Wesen, können reden, lachen, austauschen, vergleichen, abwägen, zweifeln, hoffen, uns auseinandersetzen, unterscheiden, streiten, versöhnen, planen, erinnern, bewusst machen, bewusst SEIN...
Das Gespräch, der DIA-LOG, der Logos zwischen Zweien, ist ein vitales Element unserer menschlichen Beziehung. "Das Ich wird Ich am DU" sagt Martin Buber und das von ihm gemeinte Selbsterkennen kommt u.a. im Gespräch zustande. Auch dieses Forum lebt vom (schriftlichen) Austausch.
Wir Menschen brauchen Kommunikation mit den Augen, dem Körper(-verhalten) und mit unserem Geist. Dazu bedienen wir uns der Sprache.
Dass wir dieses Medium einsetzen, wenn es etwas zu klären gibt, seien es Vorhaben, Wünsche, Konflikte, ist nur selbstverständlich. Wie sonst sollten wir das denn tun??
In vielen Beziehungen wird jedoch dieses Medium Sprache zu selten, zu wenig, zu einseitig, zu spät oder dann zu respektlos genutzt. Dann hat es nicht mehr die Möglichkeiten, die wir zu einem früheren Zeitpunkt gehabt hätten. Im Falle der würdelosen Sprache und damit solch unwürdiger Auseinandersetzung braucht es dann eben eine/einen, der darauf achtet, dass der Dialog von Achtung und gegenseitigem Respekt geprägt wird. Dieses liegt aber nicht an der Sprache und ihrem Einsatz, sondern an dem Menschen, der und wie er sie nutzt.
Deshalb lässt sich auch eine Beziehung nicht "tot reden". Eine Beziehung IST, solange sie ist. Gespräche finden statt oder auch nicht. Wenn erst dann offen geredet wird, wenn eine Beziehung "tot" ist und die lebendige Auseinandersetzung versäumt wurde, liegt das nicht am Reden!
Wie viele Missverständnisse, wie viel Übertragungen, wie viel Projektionen, wie viele Interpretationen finden doch andauernd in Beziehungen statt, ganz besonders in den nahen, den Liebesbeziehungen. Alles Ungelöste, Unerlöste kommt "nach oben", wird fühlbar, spürbar, bewusst. Was für eine Chance! Aber was für ein fataler Zustand, wenn diese Tatsache der Fehlinterpretationen, der falsch verstandenen Wünsche, der unausgesprochenen Bedürfnisse, der uneingestandenenSehnsüchte, der schmerzhaften Erinnerungen, der unbewussten Ängste u.a.m. un-ausgesprochen zwischen den Partnern bleibt. DANN wird das, was hätte reifen lassen können, wenn es denn von beiden verstanden worden wäre, zum (erneuten) Stolperstein.
Ob die Beziehung (weil einer der beiden oder beide gleichzeitig) daran strauchelt, stürzt oder sich das Genick daran bricht mag unterschiedlich sein. Ihre Rettung und das Wachstum der beiden Liebespartner liegt im Dia-log, dem Geist der zwischen beiden weht.
Das ununterbrochene Gespräch, das über Tage pausieren kann, aber immer wieder aufgenommen wird, ist das, was eine Beziehung vertiefen und reich werden lassen kann.
Das respektvolle Gespräch tötet niemals, sondern baut auf, treibt niemals auseinander, sondern lässt verstehen. Auch wenn das zur Trennung führen sollte, kann diese einvernehmlich geschehen. Ja. So etwas gibt es - mithilfe des Gespräches.
Nun ist das wie jede Fähigkeit: sie will erlernt sein.
Keiner lernt das Schwimmen im Augenblick des Untergehens. Das kann evtl. über Wasser halten und lebensrettend sein, vielleicht aber auch nicht. Schwimmen lernt sich am Besten dann, wenn es nicht gebraucht wird, bei ruhiger See ohne Wellengang oder gar im Schwimmbad, wo der Boden gleich unter den Füßen ist und der Beckenrand nicht weit. Ist es gelernt und häufig angewendet, trägt diese Fähigkeit zu jeder Zeit. Auch dann, wenn die Wogen hoch schlagen, sogar wenn "Mann oder Frau über Bord".
Gespräch lässt sich lernen und üben. Gespräch ist Mitteilung und nicht das Mittel, aufeinander einzuschlagen. Das Gespräch lebt davon, dass ich sage, wie es mir geht, was mich beschäftigt, was ich brauche und wünsche und was nicht UND dass ich mir anhöre, wenn mein Partner dasselbe von sich erzählt.
Gespräch ist NICHT sich gegenseitig vorwerfen, sich angreifen, sich fertig machen, sich wechselseitig abwerten, sich verhöhnen, abwiegeln, sich nicht ernst nehmen usw. usw. das ist verbale Gewalt und hat nichts mit Dialog zu tun. Vielmehr sind das Monologe, dem andern vor die Füße geworfen oder um die Ohren gehauen. Solches ist Ausbruch längst angestauter, nicht rechtzeitig kommunizierter Bedürfnisse (fehlende Auseinandersetzung: was will ich/ nicht, was willst du/nicht?) und geschieht nicht, wenn das Gespräch gepflegt wird.
Ja, ich halte das fortlaufend gepflegte Gespräch (das auch stunden- oder tagelange Pausen verträgt und dann wieder aufgenommen wird) für wichtig, deshalb auxch wünschenswert, erhellend, vertiefend, schön, genuss- und erkenntnisreich, deshalb auch sinnvoll (nämlich voller Sinn) und auch für not-wendig im wahren Wortsinn.
Der Gesprächsfaden, der immer wieder aufgenommen wird, webt einen Beziehungsteppich, mit allen Mustern und Farben, zu denen die zwei Gesprächspartner fähig sind. Ich finde das ein schönes Bild. Die Erfahrung ist noch schöner!
Ja, ich habe solche Gespräche geführt und führe sie noch. Sie schaffen eine Ebene der Begegnung, die ich sehr wertvoll finde und die für meine/n Gesprächspartner/in und mich (das muss nicht nur der Partner in der Liebesbeziehung sein, aber dort ist es am allerwichtigsten, weil mir das der allerwichtigste Mensch ist!) eine große geistige Nähe und Ebene des Austauschs schafft, wie ich es nur über das offene Gespräch und das Schweigen kenne.
Nein, solchen Gesprächen folgte niemals die Trennung, denn sie hielten uns verbunden miteinander!
Was ich beim Durchlesen dieses Threads annehme ist, dass anscheinend Gespräche zu selten bzw. zu spät geführt wurden. Manchmal vielleicht erst dann, wenn einer der Partner sich innerlich schon getrennt hat. Dass dies im dann erst erfolgenden Gespräch deutlich wird, ist selbstverständlich. Das liegt aber nicht am Gespräch, sondern daran, dass erst dann gesprochen wurde.
Ich finde vorbehaltlose Gespräche intim, mutig, aufbauend, bereichernd. Ich halte sie für unabdingbar notwendig für eine erfüllende Partnerschaft (die das auch ist und nicht nur so heißt). Sie machen zufrieden und schaffen Frieden, sie machen Unterschiede deutlich, lassen voneinander lernen und sie lassen die Einzigartigkeit eines Menschen aufleuchten.