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  • #1

Brauchen Kinder nur Liebe?

In einem anderen Thread wird argumentiert, dass Geld nicht so wichtig sei, wenn Kinder genug Liebe bekämen. Politisch korrekt mag das sein - aber wie sind eure Erfahrungen? Ich interessiere mich besonders für die Sicht von Menschen, die es als Kind erlebt haben, mit wenig Geld auszukommen - Eltern verklären das ja gerne und erklären, dass es ihren Kindern super gegangen sei und sie nichts vermisst hätten. Und was für tolle, glückliche Erwachsene aus ihren Kindern geworden sind- mit Luft und Liebe allein.
Ich bin Lehrerin und erlebe es aus dieser Perspektive ganz anders: Kinder aus ärmeren Familien haben doch mit einigen Problemen zu kämpfen, sie es die Klassenfahrt, der fehlende eigene Computer mit Internetanschluss, die uncollen Klamotten usw. Es ist leicht jetzt zu sagen, dass man ja nur das Selbstbewusstsein der Kinder stärken müsse und dass es auf andere Werte ankäme: in der
Theorie ja! Aber in der Praxis? Wie habt ihr finanzielle Engpässe in der Kindheit aus Kindersicht erlebt?
 
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  • #2
Meine Eltern hatten sehr wenig Geld, Fernurlaube waren nicht möglich. Wir blieben innerhalb Deutschlands und fuhren in den Ferien zur Oma oder zur Tante, mit dem Zug. Wir hatten nicht einmal Geld für ein Auto. Trotzdem hatte ich eine wunderschöne Kindheit und Jugend, meine Mutter hatte sehr viel Zeit für mich, ich half bei allen Sachen im Haus gerne mit - bis zur Pubertät natürlich ;-)

Ausflüge gingen bei uns in den Zoo, und da hatte man sein Stullenpaket und seine Getränke mit dabei, lediglich Eis wurde unterwegs gekauft. Im Herbst und Spätsommer ernteten wir den Nutzgarten leer und kochten ein für den Winter. Zum Spielen hatte ich nicht die neuesten Sachen, sondern habe mir draußen Dinge im Garten gesucht. Ich hatte Lego, Fischertechnik, drei oder vier Barbies und Unmengen an Büchern. Gitarre habe ich mir selbst beigebracht, die 6wöchigen Sommerferien war ich mit den anderen Kindern ständig unterwegs. Ich habe nichts vermißt und möchte heute nicht mehr Kind sein müssen und nur auf Leistung getrimmt werden. Wenn ich krank gewesen bin, mußte ich nicht mit Fieber in die Schule, sondern konnte mich auskurieren. Mit Masern habe ich 5 Wochen zuhause und im Bett zugebracht (zum Glück gibts aber heute Impfung), und wurde von meiner Mutter gepflegt.

Ich weiß nicht, die Zeit war in den 70ern anders. Ich fand sie schöner, man konnte ausprobieren, hatte Zeit zum Träumen und war nicht schon als Kind den Dienstplänen der Eltern unterworfen. Ich kann sagen: Ich bin mit wenig Geld - aber mit viel Liebe und Zuwendung aufgewachsen. Meine Eltern sind immer noch verheiratet und leben das, was heute gerne als "ewiggestrige Bilderbuchidylle" verlacht wird. Mein Vater ist typischer "Do-it-yourself"-ler und baut noch heute Regale selbst, der Küchentisch existiert bereits seit 50 Jahren und ist stabil und schön wie eh und je :)

Ich hätte es nicht anders gewollt und habe meine Kinder ebenso großgezogen, lt. ihrer Aussage sind sie sehr glücklich.
 
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  • #3
Als Lehrerin begegnet dir doch bestimmt auch ab und zu mal ein Kind aus einer Familie mit weniger Geld oder einer alleinerziehenden Mutter/Vater, dem es trotzdem sehr gut geht, es sich gut entwickelt und ein gutes Sozialverhalten an den Tag legt. Natürlich ist Liebe am wichtigsten. Und wer sein Kind liebt, wird immer genügend Geld zum Leben und auch für Klassenfahrten für das Kind organisieren und man kann auch ein Kind mit weniger Geld ordentlich und modern einkleiden. Alles muss ein Kind nicht bekommen und es ist gar nicht so schlecht, wenn das Kind das lernt und die Eltern das auch selbst so vorleben, dass es eher auf die Individualität ankommt und nicht darauf, immer das neueste Smartphone etc. zu haben. Liebe und Einfühlungsvermögen in dem Sinne, dass wir unsere Kinder so lieben und akzeptieren, wie sie sind, sie fördern und begleiten und möglichst offen mit ihnen umgehen, auch Gefühle thematisieren und Konflikte lösen lernen, das ist viel wichtiger als viel Geld. Es gibt viele Kinder, die materiell alles kriegen und trotzdem unglücklich sind und auch in der Schule verhaltensauffällig, aber das weißt du ja als Lehrerin sicher selbst gut genug. Meine Eltern hatten viel Geld, aber wir Kinder bekamen trotzdem nicht so viel und mussten schon als Teenager selbst jobben gehen (Babysitten, Nachhilfe geben etc.), wenn wir was Besonderes wollten, das war alles förderlich für meine persönliche Entwicklung.
 
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  • #4
Liebe FS, ich hatte massive finanzielle Engpässe in meiner Kindheit - und ich hab da gar nicht erlebt.
1) Ich hatte Matsch und Dreck zum spielen - und damit war da immer eine Gruppe zusammen
2) Ich war in einer Jugendgruppe.
3) Ich erinnerer mich noch gerne an die Verwandtschaft - eine Tante hat mir Kochen beigebracht. Von dem Baumkuchen - drei Löffel Teig auf Blech- 3 Minuten backen, die nächsten 3 Löffel auf Blech - backen und so weiter habe ich vielen neidischen finanziell gutgestellten Kindern erzählt. Eine andere Tante hat mir Nähen beigebracht. Kleidung selber nähen war damals billiger wie kaufen- heute vermutlich auch. Ich kann heute meine eigene Kleidung entwerfen und nähen. Ich würde nie 4000 Euro für ein Chanel-Kostüm ausgeben - aber selber machen jederzeit.
5) Die anderen waren irgendwo im Urlaub am Strand. Ich war im Harz - Bauerhof - und da durfte ich ganz alleine mit dem Hofhund spazierengehen. Ich alleine mit dem großen Hund. Bilder mitgebracht
-und "Da möchte ich auch hin" in der Klasse.

Ja es kommt darauf an, dass die Eltern / Verwandten sich Zeit nehmen für Kinder, kreativ sind im Umgang mit den Kindern und den eigenen Finanzen und Liebe als drittes schadet auch nicht. Aufs Geld kommt es nicht an.
Übrigens - Schulkinder haben Anspruch auf Zusatzleistungen für Klassenfahrten und Schulexkursionen und Harz IV Kinder bekommen kostenloses Essen in der Schulkantine und und und.

Außerdem es liegt es auch an den Lehrern keine 500Euro-Klassenfahrten zu veranstalten sondern sich nach bezahlbaren Reisen umzusehen! Und in den Ganztagsschulen heute gibt es kostenlos
1000 Angebote -vom Sport über Malen über Musizieren über Kochen über Nähen - die Kinder müssen weder einen Vereinsbeitrag bezahlen noch einen VHS-Kurs besuchen. VHS Kurse werden für harz-V Empfänger aus vielfach kostenlos angeboten. Bücherhllen mit CDs / DVD gibt s für 6 Eureo JAhresbeitrag in HH. Da können Lehrer informieren was alles da ist. Städtische Jugendtreffen veranstalten in HH Discoabende- Eintritt 50 cent, cola 50 Cent - das sind keine Kosten.

Es ist auch Aufgabe der Lehrer, Kinder die sich etwas auf ihre teuren Markenklammoten einbilden und andere dann herabwürdigen wollen aufzubügeln. W
 
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  • #5
Danke für deine Frage! Es ist ein Thema, dass mir seit 20 Jahren (seit es mir wirklich bewusst geworden ist - es ist nämlich unglaublich, an was der Mensch sich alles gewöhnen kann) auf der Seele brennt. Ich bin 40 Jahre und weiblich.
Ich hoffe, meine Antwort auf deine Frage, wie eine finanziell bescheidene Lebensweise sich auf Kinder auswirkt, ist für dich interessant. Eine kleine Einschränkung gleich zu Beginn: meine Eltern waren nie arm, haben aber mit ihrer extrem bescheidenen Lebensweise einiges bei mir angerichtet. Ich habe immer noch sehr damit zu kämpfen.
Erster Teil: Die Außenseiterposition. Ich war bis zur Pubertät (!) beliebt und geschätzt, aber dennoch immer irgenwie anders, da meine Eltern null materielle Konsumambitionen hatten. Konsum = schlecht. Immer nur abgelegte Second-Hand- Klamotten, das älteste Auto tuts auch, bloß nicht mit technischen Neuerungen umgeben (obwohl mein Vater Entwickler ist), bloß nicht die Wohnung modernisieren, bloß nicht ab und an ins Restaurant, bloß nie ins Café, bloß nix, was Geld kostet, bloß nicht das Leben genießen. Früher haben die Menschen (angeblich) die Lebenslust, das Genießen, das Irdische aus religiösen Gründen (oder was ihnen dafür verkauft wurde) verpönt, heute gibt es andere Ersatzreligionen. Bei meinen Eltern, typische Nachkriegsgeneration (gerade noch im Krieg geboren), war es die Angst vor Kontrollverlust. Und was gibt einem mehr gefühlte Kontrolle über die unberechenbare Zukunft als: Geld. Nicht zu ausgeben, Gott bewahre, nein, zum Sparen (und Anlegen). Und ja, der Vollständigkeit halber: Bildung war geschätzt bei uns, obwohl meine Eltern natürlich mit Halbwissen und Scharzweiß-Denken glänzen (die Bildungsreise war unser einziger Luxus). Und nein, meine Eltern sind nicht aus der vergeistigsten Akademikerklasse, wo das Antimaterielle (wieder) schick ist. Meine Eltern kamen bei aus einfachsten Handwerkerverhältnissen auf dem Lande. Mein Vater hortet das zehnte Sperrmüllrad, hat alles (kostenlos) dutzendfach im Keller und Garten gehortet, dementsprechend sieht es bei uns aus, leere Kartons / Flaschen werden nicht weggeworfen.
 
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  • #6
Zweiter Teil: Was diese Einstellung mit mir gemacht hat. Ich habe unbewusst mitgegeben bekommen, dass nur das schlechteste schlecht genug für mich ist. Das trifft es wohl am besten. Zwanghafte Bescheidenheit war mir eingeimpft, einfach mal an sich denken und nur Geld verdienen um sich später was zu gönnen, das hätte ich mir früher nie erlaubt. Trotz Spitzenabi kein Selbstbewusstsein gehabt, um aus meinen Fähigkeiten etwas Angemessenes zu machen. Ich hatte wegen allem ein schlechtes Gewissen.
Als Lehrerin wirst du jetzt vielleicht sagen: Thema verfehlt. Du hattest ja nach Erfahrungen von Familien gefragt, wo kein Geld vorhanden ist. Dennoch: wenn man weiß, es ist eigentlich (viel!) Geld da, man wird aber immer kurzgehalten (Geld muss also was Schlimmes sein), dann hat das scon massive Auswirkungen aufs Selbstbewusstsein. Allerdings wurde bei uns auch extrem an Freude, Zusammenhalt, Luft (im Sinne von Freiheit, Toleranz) und Liebe (Angenommensein) gegeizt.
Allgemein gesprochen ist es einfach so, dass du, wenn du arm bist, viel mehr Aufwand für das gleiche Ergebnis betreiben musst. Öffentlich Verkehrsmittel vs. eigenes Auto - öffentliche Bibliothek vs. im Laden Bücher kaufen - aus der Not geboren Wohnung vs. Wohnung mit Wohlfühlcharakter. Natürlich kann man den Überbau nicht für Geld kaufen, aber den Unterbau schon.
 
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  • #7
Ich kenne tatsächlich Eltern im Umkreis, die haben ihre jungen Sprößlinge dermaßen gescheit, tolerant und offen erzogen, die brauchen kein (oder wenig ) Geld. Die können sich mit 9 oder 10 Jahren hinstellen und dir selbstbewusst erklären, warum Markenmode schlecht und unnötig ist, oder warum man kein oder wenig Fleisch essen soll in heutiger Zeit, usw. Die erklären dir Sachen über die Umwelt, Politik oder über Atronomie, die hast du selber noch nicht gehört! Da habe ich nicht schlecht gestaunt. Andere Kinder sind lange nicht so weit. Ist eben auch eine Frage der Erziehung, wie man die Kinder aufklärt und wie man sich mit ihnen beschäftigt.

Mal ehrlich, du bibberst wegen Interentanschluss und Computer? Dann werden deine Kinder eben auch mal genauso abhängig wie du! Und zu den typischen "Opfern" in der Schule. Du musst doch deinen Kindern beibringen, möglichst unabhängig von diesem Massenwahn zu werden! Viele erwachsene Menschen brauchen kein Interent. Facebook braucht die verblödete Masse! Man muss eine Kinder eben zu selbstbewussten Menschen erziehen, die lautstark ihre Meinung sagen können, auch in der Schule vor Klassenkameraden!
 
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  • #8
Nein Kinder brauchen nicht nur Liebe! Man könnte auch sagen, jeder Mensch braucht nur Liebe. Wenn ein Kind noch klein ist und das alles noch nicht versteht, dann kann es auch in sehr armen Verhältnissen zufrieden sein.

Im Kindergarten fangen sicher die ersten kleinen Probleme an, in der Schule werden sie dann immer größer.

FS Du hast ja selber schon einige Probleme aufgezählt.

Das Kind bekommt dann auch oft kein gutes Essen, kein frisches Obst oder Gemüse.
 
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  • #9
Ich glaube, Geld ist sehr sehr wichtig bei der Aufzucht von Kindern. Liebe natürlich auch. Aber um "aus der Reihe zu tanzen" muss man erstmal in der Reihe sein. Kinder haben nunmal noch lange nicht das Selbstbewusstsein, um auf Statussymbole, die gerade "in" sind, zu pfeifen.
Mein Vater hat zwar immer gesagt "das willst du doch nur haben, weil es die anderen auch haben", wenn es um Markenklamotten oder ähnliches ging, hat es mir aber dann doch gekauft, damit ich mir nicht auffällig vorkomme. Heute sind mir Markensachen extrem egal.
Eine frühere Klassenkameradin war Spott und Hohn ausgesetzt, weil sie nur billige Sachen (und die auch noch von ihrem Bruder) tragen durfte. Ich bin mir sehr sicher, dass die heute mehr Wert auf Statussymbole legt als wir früheren "Mitläufer".
 
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  • #10
Wie habt ihr finanzielle Engpässe in der Kindheit aus Kindersicht erlebt?

Die Kindheit, in dieser Fragestellung, finanzielle Abhängigkeit von der Brieftasche der Eltern dauert ja je nach Ausbildung bis ins Erwachsenenalter. Mir war das schon und manchmal auch schmerzlich bewusst zu den Armen zu gehören. Zu spüren begann ich es mit der Pubertät, als ich von Partywochenenden meiner wohlhabenden Schulkollegen hörte zu denen ich nicht geladen war oder von Eltern finanzierten Kurzurlauben nach Venedig oder Florenz zu Ostern erzählt bekam.

Aber Neid war mir immer zu primitiv, was ich aber so nie lernte oder lernen konnte war der Umgang mit Geld in größerem Rahmen, also um in meinem mir gesellschaftlich verpassten Niveau zu sprechen, als Werkzeug.

M50
 
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  • #11
In meiner Situation habe ich als Kind erlebt, dass wir mal alles hatten also "aus reicheren Verhältnissen" in die Armut stürzten. Ebenfalls haben wir damal mit der Familie in 2 verschiedenen Ländern gewohnt, bis wir in Deutschland ankamn. Im prinzip konnte ich mich an eine sehr glückliche Vergangenheit erinnern, gerade auch als wir in ärmeren Verhältnissen waren, weil da der Zusammenhalt größer war. Aber in Deutschland außerhalb der Familie merkt man schon wie sehr die Menschen materialistisch waren. Dann wurde man ausgelacht von anderen Kindern, wenn mal Klamotten nicht nach Mode hatte (vorher konnte ich mich an keine einzige Situation dergleichen erinnern) hier in der 4ten Klasse schon. Ich habe nicht verstanden wieso, heute kann ich aber reflektieren was da alles dran war. Wenn dann auch alle Kinder im Morgenkreis nach den Ferien erzählten und prahlten, wer am Meer und Strand Urlaub machte...oder wer irgendwo Campen war, da erzählte ich max. dass ich (wie jedes Jahr) bei meinen Großeltern war (was für die anderen zum gähnen erschien und uncool ist). Heute sehe ich dass, keine Enkel bei Ihren Großeltern die Ferien verbringen, weil die meisten irgendwie im Altersheim vor sich hinkauern..... naja also es gibt so viele Beispiele... und die fangen schon ab der Kita/Kindergarten an... habe von Erzieherinen gehört, dass ein Kind meiner Freundin besonders ungepflegt erscheint, weil seine Klamotten alt und ausgewaschen wirken, dabei legt die Freundin einfach keinen Wert darauf die Klamotten sortiert in die Waschmaschiene zu stecken (und salopp sagt, bei 90% sind alle BAkterien weg ), und dem Kind ist das auch egal....aber den Erzieherinen nicht.... weil das halt den Eindruck von "ungepflegter Erscheinung" macht....

Naja also aus meiner persöhnlichen Sicht, war ich ziemlich stabil da ich or Deutschland auch andere Länder und Erfahrungen hatte und mir die Meinung anderer zweitrangig war.... später empfand ich Mitleid, dass viele so materialistisch eingestellt waren, heute profitiere ich nur von meiner Erfahrung.

Mein jüngerer Bruder (heute 9) ist hier geboren und wächst in ärmeren Verhältnissen auf.... bei ihm hae ich das Gefühl, dass er es schwerer haben wird, stabiler gegen die materialistischen Werte zu sein da er nur so eine Welt leider kennt.
 
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  • #12
Wie habt ihr finanzielle Engpässe in der Kindheit aus Kindersicht erlebt?

Für mich waren das Bedingungen, wo ich den Eindruck hatte, das sie sind wie sie sind, auch rückblickend. Ich kannte es nicht anders. Manchmal war ich neidisch auf Schulfreunde, wo die Eltern einen eigenen Swimmingpool hatten oder ein Kindermädchen. Das waren z.B. Ärztefamilien und eine völlig andere Welt und ich wusste, dass die einfach Geld haben und wir nicht. Das spielte aber eine untergeordnete Rolle. Aus meiner Sicht waren die Eltern erstmal die größten und besten und natürlich auch die einzigen, die ich hatte. Für mich als Kind war es egal, dass wir einen alten Opel als Familienauto hatten und andere einen neuen Mercedes.

Ab dem Gymnasium, so etwa 8. oder 9. Klasse, als das mit der Ganztagsschule losging, bekam ich ein komisches Gefühl, weil die anderen Geld bekamen um sich Mittags etwas zu essen zu holen und ich nicht. Ich wurde dann verschiedentlich von den Eltern von Freunden eingeladen, d.h. ich bekam ein Mittagessen bei denen.

Was mich am meisten wunderte und irritierte, war der Umgang, der in diesen Familien herrschte und der ganz anders war als bei mir zu Hause.

Um es auf den Punkt zu bringen: Für Kinder ist Liebe die Hauptsache. Wenn die Liebe da ist und es in der Familie einen respektvollen und wertschätzenden Umgang gibt, dann sind die materiellen Bedingungen zweitrangig. Leider ist es aber auch so, dass viele Eltern, die über ein geringes Einkommen verfügen auch über wenig Bildung verfügen.

Ich wäre ja schon dankbar, wenn endlich die Gewaltfreiheit in der Erziehung richtig und konsequent durchgesetzt werden würde.

m,41
 
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  • #13
Gerade aus Sicht des Humankapitals ist Geld in der Bildung des Kindes unerlässlich. Bei vielen Dinge, ist es ganz anders, wenn man es als Kind gelernt hat oder als Erwachsener. Gerade bei Sport oder Musikinstrument, wenn man es nicht schon als Kind gelernt hat, ist es sehr schwierig über ein gewissenes Level zu kommen und das sind natürlich auch Sachen, die einen im weiterführende Leben begleiten. Man findet leichter Kontakt in einer neuen Stadt, wenn man eine Sportart gut kann oder fällt sich leichter sich grazil zu bewegen, wenn man als Kind jahrelang getanzt hat. Vielleicht kann man noch auf ein oder anderes Klavierkonzert spielen, wenn man dann auch wieder neue Leute kennenlernt.

Vielleicht bekommt man sogar mehr Einsichten von der Welt, wenn man viel reist und viel Kulturen sieht, ist öfters mit verschiedenen Anlässe konfrontiert, man lernt ohne Scheu sich auf dem gesellschaftlichen Pakett zu bewegen, egal wieviel Gold im Raum ist und wie lang die Abendkleider sind. Und wenn die Eltern Geld haben, dann wissen sie zumindest einen Weg, wie man erfolgreich durch das Leben kommt und das können Sie ihrem Kind vermitteln und sichern sie ihrem Kind zumindest einen sorglosen Anfang im Leben.

Ob sie unbedingt glücklicher sind oder ob Geld nun etwas mit dem subjektiv empfundenen Glück zu tun hat, das glaube ich nicht. Selbst ohne Geld können Kinder zu selbstbewusste Wesen werden. Man lernt andere Werte, worauf man stolz ist. Dass man eine ehrliche Arbeit hat, seine Familie ernährt und was man sonst so auf die Beine gestellt hat.

Es gibt insgesamt nicht so viele selbstbewusste Menschen auf der Welt. Auch bei den reichen Menschen nicht. Natürlich ist es leichter sich zu beruhigen, wenn man seinen Mercedes hat und die Jugendstilwohnung in der Münchner Innenstadt, aber richtig selbstbewusst und glücklich, das ist auch keine Selbstverständlichkeit bei Kindern aus reichem Hause.

Bei mir in der Familie gab es sehr unterschiedliche Zeiten. Sehr sparsame und sehr üppige Zeiten. Und was das Selbstbewusstsein angeht, hat sich nicht viel verändert. Es war leichter Unsicherheit bei teuren Klamotten und einem Haarschnitt von einem Starfriseur zu überspielen und es gab immer Leute, die die Nähe gesucht haben. Das machte vieles leichter. Doch andersrum, als das Geld nicht da war, wusste ich immer, dass alles an mir wahr ist. Dass keine teure Klamotten von meinem Gesicht ablenken und dass ich das wirklich bin, was die anderen sehen. Und wenn jemand mit mir zu tun haben wollte, dann weil er mich wirklich gemocht hat. Das war auch keine schlechte Zeit. Obwohl ich mir damals schon gewünscht hätte, noch mehr zu reisen, aber das war dann doch nicht möglich.
 
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  • #14
Liebe FS,

meine Eltern hatten Geld, mir haben sie deswegen trotzdem nichts extra gegönnt. Alles wurde gespart und wenn ich was bekam, dann musste ich es mir hart erkämpfen.
Für meinen eigenen Computer/CD-Player musste ich selbst aufkommen - vom Taschengeld und Nebenjob.
Meine Klamotten waren uncool. Meine Mutter hat die Wühltische abgegrast. Der Preis war wichtiger und mein geschmack wurde auch nur selten getroffen.
Dennoch hat es mir materiell nicht gemangelt - ich bin so groß geworden. Auch wenn die anderen das uncool fanden. Ich fand die auch oft gestört.
Ab und zu kommt man trotzdem an was "gescheites" - so oder so, weil sich einfach die Gelegenheiten ergeben. Und: irgendwann kauft man sich auch seine klamotten selbst. Und es gibt viele Wege, auch günstig an gescheite Klamotten zu kommen.
Meiner Meinung nach muss auch nicht der ganze Klamottenschrank aus coolen Klamotten bestehen.
Rein theoretisch hätten auch andere Eltern mit wenig Geld die Möglichkeit, günstig an "cooles" ranzukommen. Oder zumindest was gleichwertiges.

Nein, finanzielle Probleme hatten wir eigentlich nicht - das lag alles schön auf dem Konto.
Dafür aber jede Menge psychische Probleme durch Sonderbelastung.
Vielleicht haben deswegen meine Eltern immer gespart, weil ihnen das Sicherheit gab.
Meine Mutter war häufig überfordert und man wußte nie, wann sie den nächsten Ausraster bekam.
Mein Vater war Alkoholiker und erzählte jedem wie überragend er ist und ich sollte genauso überragend sein.
Nein, meine eigentlich schwere Kindheit ist bestimmt nicht auf die fehlenden coolen Klamotten oder den fehlenden Computer zurückzuführen gewesen, auch wenn die dabei sicherlich eine Begleiterscheinung waren.
 
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  • #15
Liebe FS,
ich (w, 50+) komme aus einem kinderreichen Arbeiterhaushalt. Ich bin in einem geräumigen Einfamilienhaus mit großem Garten aufgewachsen, gebaut mit viel Eigenleistung der Eltern.
Ja, ich hatte uncoole Klamotten, meine Mutter war keine Fashionista. Ich musste die Schulbücher meiner Geschwister nutzen, ihre Kleidung, Fahrräder aufbrauchen, im Garten beim Gemüseanbau helfen, bei der Hausarbeit, meinen jüngeren Geschwistern in der Schule helfen. Das hat mich selbstständig gemacht, viel Vertrauen in meine Fähigkeiten gegeben. Meine Pubertät war mit 16 abgeschlossen, nicht mit Ende 40, wie bei den Wohlstandskindern.
Hat es mir geschadet? Nein, keinesfalls. Es war kein Honigschlecken und als Kind habe ich mir manchmal gewünscht, es wäre für mich so easy wie für meine Klassenkameraden. Das ist heute nicht mehr so relevant, dass es in meiner Erinnerung existieren würde (Verbitterung).

Ich habe besondere Skills entwickelt: Fleiß, Disziplin und ein unglaubliches Vertrauen in meine Fähigkeiten. Völlig unüblich in der damaligen Zeit habe ich Informatik studiert und heute die entsprechende berufliche Position mit hohem Einkommen.
Anders als die rundum gepamperten Einzelkinder brauche ich niemanden, der mir das Heck freihält. Ich kann auf eigene Kräfte vertrauen, verfalle nicht ins katastrophisieren. Ich kann mir das Leben in der Komfortzone aufgrund meiner Fähigkeiten erarbeiten, d.h. bin nicht auf ein Erbe o.ä. angewiesen. Ich bin kein Opfer irgendwelcher Umstände. Entsprechend selbstbestimmt lebe ich mein Leben, traue mir zu, den Job zu wechseln, mich beruflich zu verbessern, mich neuen Herausforderungen zu stellen. Während die gepamperten Einzelkinder in den komplett unnötigen und selbstgemachten Burnout steuern, verhandele ich über neue Aufgaben und mehr Gehalt, bekomme es auch.

Für meine Kollegen habe ich ein gerütteltes Maß an Verachtung übrig. Auf sie wartet u.U. ein üppiges Erbe, aber sie vergällen sich im hier und jetzt das Leben in irgendwelchen abstrusen Katastrophisierungsschleifen, während ich mein Leben genieße, mit meinem Geld viel besser umgehen kann.
Ich lebe auf gehobenem Niveau, bin frei von Zukunftsängsten, obwohl meine Bedingungen viel schlechter sind, als die von Kindern aus wohlhabenden Haushalten. Ich kann mein Leben genießen. Wenn es sein muss, kann ich downsizen und das angstfei, weil ich weiß, dass man mit weniger Geld sehr gut leben kann - zwischenmenschliche Wärme in einer nicht wohlhabenden aber fürsorglichen Familie. Kein Chaffeusenservice zum Klavierunterricht kann mir eine Mutter ersetzen, die nach der Schule mit einem frisch gekochten Essen auf mich wartet und Zeit hat, sich die Tageskümmernisse anzuhören.

Als Lehrerin musst Du Mangel an finanziellen Mitteln deutlich differenzieren vom Mangel an allem. Wenn nicht so viel Geld, aber sehr viel Liebe und Fürsorge da ist: macht nix, daraus erwachsen starke Menschen mit Selbstwirksamkeit.
 
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  • #16
Meine Kindheit ist noch nicht ganz so lange her wie die der Vorposter.
Und nein, ich kann definitiv NICHT sagen, dass Liebe allein reicht. Ich bin zwar in einem sehr großen Haus mit gigantischem Grundstück herum aufgewachsen, aber Geld hatten wir kaum, da meine Mutter nur Teilzeit arbeiten ging und von meinem Vater getrennt war, der keinen Unterhalt zahlte. Das Haus gehörte meinem Opa.
Bis ich etwa 10 Jahre alt war, war das allerdings kein Thema.
Doch ein wenig später fingen die Probleme an. Ich hatte große Probleme mit Mathe.. Geld für Nachhilfe war nicht vorhanden und so bin ich dank einer 5 im Zeugnis auf der Hauptschule gelandet. Mein Opa hätte auch diese bezahlt, doch meine Mutter war zu stolz um ihn darum zu bitten. Dort hatte ich dann nichtmehr viel zu lachen. Einmal deshalb, weil wir uns ewas besseres als Kleidung aus dem Discounter nicht leisten konnten. Ein cooler Schulrucksack? Angesagte Sneakers? Daran war nicht zu denken. Urlaub und Klassenfahrten? Nicht ein einziges mal. Somit war ich von Anfang an Paradeopfer diverser Cliquen. Das ging dann diverse Jahre (volles Programm mit Prügeln, kaputten Klamotten, Angst, Spott, usw.) bis ein Junge an unsere Schule gewechselt hat, der für sein Alter extrem groß war (16, 190cm, 110kg) mit dem ich mich anfreundete und der mich in Schutz nahm.
Meine Mutter und mein Opa haben mich zwar sehr geliebt, aber letztendlich war meine Teenagerzeit dennoch eine Qual für mich.

Heute sieht es so aus, dass ich trotz meiner anfänglich miesen Schulbildung Karriere gemacht habe und mir so einiges an Luxus leisten kann. Designerklamotten, ein tolles Auto, viele Urlaube.. aber dennoch merke ich, dass diese Erlebnisse starke Spuren an mir hinterlassen haben. All das ist mir heute sehr viel wichtiger als es eigentlich sein sollte.. Ich denke bis heute sehr viel darüber nach, wie ich bei anderen ankomme. Wär das alles anders gekommen, wäre ich wohl sehr viel souveräner.
Zu sehen, in welchen miesen Jobs und Lebenssituationen meine damaligen Peiniger gelandet sind, hat mir jedoch schon eine große Genugtuung beschert.

Klar kann man das alles nicht pauschalisieren doch denke ich, dass das Konsum und Optik heutzutage noch sehr viel wichtiger sind als vor 10-15 Jahren und deswegen kann ich nicht verstehen warum man 3 Kinder bekommt wenn man sich eigentlich nichtmal eines leisten kann. Dafür haben gerade Kinder aus geringverdienenden Familien zu viele Nachteile gegenüber ihren gutversorgten Mitschülern. Und damit meine ich vorrangig nichtmal den Status und/oder Luxusgüter.

Desweiteren sind heutige Kinder und Jugendliche sehr viel grausamer gegenüber benachteiligten Mitschülern als vor 30 oder 40 Jahren, das sollten einige Vorschreiber auch bedenken, die hier ihre Erfahrungen aus den 70-80ern teilen.

w25
 
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  • #17
Liebe FS
ich glaube, diejenigen, die Dir am Besten Auskunft geben könnten, sind noch nicht alt genug....
Ich bin 45, mein Vater war zuerst kaufmännischer Angestellter, hat sich dann aber zum Personalchef hoch gearbeitet, meine Mutter Hausfrau. Also für die damaligen Verhältnisse eine ganz normale gut bürgerliche Familie. Meine Eltern haben mir vor vielen Jahren erst erzählt, dass sie in unserem jährlichen Italienurlaub jeden Rappen gezählt und eingeteilt haben. Zu kurze Hosen? Wurde eben unten ein Band angenäht. Ausflüge? Eher selten, dafür war die Vorfreude riesig. Teures Spielzeug? Brauchten wir nicht, wir hatten unsere Fantasie und die Natur.
Die Aussage, Kinder bräuchten nur Liebe, erachte ich als falsch, sie brauchen auch Grenzen. Ob sie aus finanziellen Engpässen Schaden nehmen, liegt zum grossen Teil in der Hand der Eltern und ihrer Vorbildfunktion, ihrer Einstellung. Eltern, die andauernd über ihre finanzielle Not klagen und allem und jedem die Schuld dafür geben, tun ihren Kindern keinen Gefallen. Zudem bin ich der felsenfesten Überzeugung, dass Kinder, die keine Markenklamotten tragen und nicht mit dem allerneusten technischen Schnickschnack ausgerüstet sind, mit Hilfe der Eltern genug Selbstbewusstsein aufbauen können, um über dem ganzen Wettbewerbsgehabe zu stehen. Dazu gehören für mich auch günstiges, frisch gekochtes Essen, viel Spielen in der Natur oder eben Vereinsleben.

w, 45
 
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  • #18
Ich bin Lehrerin und erlebe es aus dieser Perspektive ganz anders: Kinder aus ärmeren Familien haben doch mit einigen Problemen zu kämpfen, sie es die Klassenfahrt, der fehlende eigene Computer mit Internetanschluss, die uncollen Klamotten usw.

Bei uns werden die Kinder in der Grundschule von der Englischlehrerin beauftragt, zu Hause auf einer Englisch-CD ein Lied zu lernen - die Kinder, bei denen die Eltern nicht helfen bzw. die kein Abspielgerät haben, können also in die Röhre gucken. Ich als extrem bildungsnaher Mensch aus reichem Elternhaus finde es eine absolute Frechheit, was heutzutage (aus Hilflosigkeit?) alles schon in der Schule einfach so für selbstverständlich genommen wird. Die Schule befördert hier ein völlig von Werten befreites Denken. Wenn mal wieder Bastelmaterial mitgebracht werden soll, gebe ich meinen Kindern immer extra das Doppelte / Dreifache mit, weil sonst niemand an die vernachlässigten Heimkinder und Kinder aus sozial prekären Verhäntnissen denkt, die natürlich nichts mitbringen (können). Unsere Gesellschaft ist wirklich absurd.
 
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  • #19
Meine Kindheit ist noch nicht ganz so lange her wie die der Vorposter.....

Desweiteren sind heutige Kinder und Jugendliche sehr viel grausamer gegenüber benachteiligten Mitschülern als vor 30 oder 40 Jahren, das sollten einige Vorschreiber auch bedenken, die hier ihre Erfahrungen aus den 70-80ern teilen. w25

Das ist ganz sicher nicht so, die Methoden haben sich nur wenig geändert - ich weiß es, weil ich es persönlich erlebt habe und die heutige Situation auf der Sozialarbeit kenne.
Ausgrenzung ist immer hart für den, den es trifft, egal in welcher Zeit. Es gab vielleicht kein Facebookmobbing, man wurde auf andere Weise zum Menschen 2. Klasse gestempelt.

Man konnte auch nicht so gut ausweichen, weil der Bewegungsradius enger war und das Verständnis für das psychische Leid, was aus der Ausgrenzung entsteht, nicht vorhanden war. Es gab auch keien Hilfsangebote frü die Opfer. Heute gibt es viel mehr Unterstützung beim Schulwechsel etc.

Lediglich bei körperlichen Auseinandersetzungen geht es heute viel härter und grenzenloser zu als früher - da war Schluß, wenn einer am Boden lag. Allerdings ist massive körperliche Gewalt bei Ausgrenzung wegen fehlender finanzieller Mittel sehr selten.

Fehlende finanzielle Mittel können einem sehr schnell das Gefühl vermiteln, als Mensch weniger wert zu sein, als andere. Hier muss bei den Kindern das Selbstbewusstsein gefördert werden, was Eltern aus der gesellschaftlichen Randzone schwer fällt. Sie schauen zuviel auf das nicht vorhanden Geld und zu wenig, auf sonstige Lebensqualität. Ich hatte Freunde, wie wesentlich wohlhabender waren als meine Eltern, aber gern zu uns zu Besuch kamen, weil es immer einen für wenig Geld selbstgebackenen Kuchen gab, eingemachtes Obst aus dem Garten .... und sehr viel Toleranz und pesönliche Freiheit.
 
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  • #20
Gast 17! In unserm Leben, in fast allen unseren Berufen, brauchen wir PC`s, Internet ist Gang und Gebe und der Umgang damit wir in allen Berufen heute vorausgesetzt. Ich finde, es gehört auch in die Schule und sollte da auch unterrichtet werden. Dementsprechend sind dann auch die Hausaufgaben. Das hat nichts mit Hilflosigkeit zu tun. Wenn vor 50 Jahren ein Kind keinen Stift mit in die Schule bringt, weil kein Geld dafür da ist und das Kind ohne einen Stift zu Hause keine Hausaufgaben machen kann, dann war daran auch nicht die Schule schuld.

Das Leben verändert sich, die Bedingungen verändern sich. Und die Frage war ja auch ganz einfach! Reicht nur Liebe, um ein Kind groß zu bekommen. Und die alleine reicht definitiv nicht. Weder heute, noch vor 10 Jahren, vor 50 Jahren oder 100.

Eine gewisse Menge Geld muss da sein, damit ein Kind sich gut entwickeln kann. Eltern müssen sich für das Kind natürlich auch interessieren.
 
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  • #21

Sagen wir mal so: Liebe ist das wichtigste, das Eltern ihrem Kind für sein Leben mitgeben können. :))

Das Zweite ist: gesunde Ernährung (die auch für wenig Geld zu haben ist, oder auch Schulessen, bzw. Schulobst) bzw. gesundes Umfeld (rauchfreies Zuhause, Gemütlichkeit, Ruhe, regelmäßiges Lüften ...)

Das Dritte wäre: Bildung, die in Zeiten des Internets für jedermann zugänglich ist, bzw. für sehr wenig Geld zu haben ist (z.B. Sofatutor - Jahresabo/Youtube-Videos zu allen möglichen Themen).

Ansonsten lässt einen der Staat nich allein mit Bildungspaket, Übernahme von Schulfahrtenkosten, Vereinsgebühren ...).

Auch gibt es - sofern Probleme bestehen - Anlaufstellen, wie etwa die Beratungsstellen für Familie und Jugend, Sozialer Dienst oder der schulpsychologische Dienst, aber auch die Krankenkassen übernehmen Kosten für z.B. einen Kinderpsychologen !

Das Problem liegt nicht daran, dass für Kinder zuwenig angeboten wird, sondern daran, dass es meist überforderte und wenig gebildete Eltern sind, die massive Probleme mit sich selbst haben (z. B. Suchtproblematiken, psychische Erkrankungen, Imigrationshintergrund ...). Da müsste von Seiten der Jugendämter angesetzt werden!

Und die Kinder/Eltern, die verachtend auf ärmere Kinder (die ja nichts im geringsten dafür können) herunterschauen, sind meiner Erfahrung nach eine kleine Minderheit, die ein massives Selbstwertproblem haben und sich auf Kosten Anderere /Schwächerer versuchen sich höher zu stellen. Einfach nur sehr bedauerswerte Zeitgenossen!!!

w, 43
 
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  • #22
Meine Eltern hatten sehr wenig Geld und ich habe sehr früh selbst Geld verdient - auch noch im Studium - und es ist mir ausgezeichnet bekommen, ebenso meiner jetzigen Frau. Dagegen erlebe ich bei meinem einzigen Kind, dass es durch finanzielle Überfütterung immer anspruchsvoller, fordernder, konsumsüchtiger und leistungsunwilliger geworden ist. Sätze wie "so einen Job würde ich nie machen" habe ich ein paar Mal gehört und sie haben mich immer entsetzt. Genauso war es mit meiner Exfrau, die als verwöhntes Einzelkind nie auf eigene Arbeit gesetzt hat, sondern sich zuerst von den Eltern und dann von verschiedenen Männern hat aushalten lassen. Weniger ist mitunter mehr.
 
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  • #23
Ich interessiere mich besonders für die Sicht von Menschen, die es als Kind erlebt haben, mit wenig Geld auszukommen

Wie habt ihr finanzielle Engpässe in der Kindheit aus Kindersicht erlebt?

- Es gab Brot vom Vortag unserer Nachbarin.
- Wenn am nächsten Morgen nichts mehr für ein Pausenbrot da war, ging meine Mutter mit mir zur Nachbarin und hat darum gebeten. Diese hatte es dann auch gleich belegt, und schulfertig eingepackt.
- Wurde von einigen Mitschülerinnen wegen meiner Kleidung wüst beschimpft und ausgelacht.

Für mich war es als Erwachsene lange Zeit komisch an einer Theke Fleisch oder Schinken zu kaufen da ich dies niemals bei meiner Mutter gesehen hatte. Es gab mal Tiefkühldorsch oder abgepacktes Fleisch von Bekannten. Die Krönung war meinen Kuschelhasen (unwissentlich) auf dem Teller zu haben bis meine ältere Schwester am Tisch meinte " aha, so schmeckt Hase".

Ich bin meiner Mutter, auch wenn es mich geprägt hat, nicht böse. Mehr war einfach nicht möglich...traurig war nur die Kombination mit fehlender Nähe. Sie war nie greifbar und ständig damit beschäftigt irgendwie durchzukommen.


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  • #24
Ich, W, 47 Jahre alt, bin das Kind zweier Akademiker und in der DDR aufgewachsen. Ohne Haus und Auto, sondern zu viert in einer 65 qm-Mietwohnung!
Mein erstes eigenes Zimmer hatte ich mit 15. Es war eine Kammer hinter der Küche, 5 qm groß.
Obwohl mein Vater für DDR-Verhältnisse gut verdiente, fehlte beiden Eltern der Dünkel, der Ehrgeiz und später leider auch die Liebe füreinander, um zu besseren Wohnverhältnissen zu kommen oder sonstige Statussymbole aufzuhäufen.
Ich würde das niemals so schwarz-weiß sehen: Liebe gegen Geld.
So einfach ist das nicht.
Liebe zu den Kindern würde ich übersetzen in : Interesse, Zeit, wirkliches Anwesend-Sein, vor allem im Kopf! Eingehen auf das Kind. Pläne mit den Kindern schmieden und diese umsetzen. Spontan sein können, Phantasien mit den Kindern entwickeln, eigene Geschichten ausdenken.
Aber Liebe kann auch ein "Nein" sein, wenn es denn erklärt wird, kann mal schlechte Laune und Brüllerei sein, wenn sie abends beim Gute-Nacht-Sagen wieder gutgemacht wird.

Echte Zuwendung zu einem Kind ersetzt Materielles, ja. Und Liebe besteht nicht nur aus einem Streicheln über den Kopf eines Kindes und einem "Süüüüß!" auf den Lippen.

Die Urlaube mit meiner Mutter, bei denen wir immer nur zur Oma fuhren. Die aber wohnte in einem Landstrich, in dem man so viel machen konnte und so hatten wir dort bald unsere Lieblingsplätze, von denen jeder seine Tradition hatte und wir unsere Geschichten entwickelten.
Familienkonzerte und selbsterdachte Theaterstücke, die dann aufgeführt wurden.
Sonntags war immer Programm, irgendwas gab es immer zum Anschauen oder Hinwandern. Aber stets alle zusammen, weil wir uns während der Woche wenig sahen.

Es war nicht alles gut und schön in meiner Kindheit - aber was ich noch am wenigstens vermisse, ist das Materielle.
 
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  • #25
Meine Eltern hatten sehr wenig Geld und ich habe sehr früh selbst Geld verdient - auch noch im Studium - und es ist mir ausgezeichnet bekommen, ebenso meiner jetzigen Frau. Dagegen erlebe ich bei meinem einzigen Kind, dass es durch finanzielle Überfütterung immer anspruchsvoller, fordernder, konsumsüchtiger und leistungsunwilliger geworden ist. Sätze wie "so einen Job würde ich nie machen" habe ich ein paar Mal gehört und sie haben mich immer entsetzt. Genauso war es mit meiner Exfrau, die als verwöhntes Einzelkind nie auf eigene Arbeit gesetzt hat, sondern sich zuerst von den Eltern und dann von verschiedenen Männern hat aushalten lassen. Weniger ist mitunter mehr.
Lieber Gast Nr. 22 (?), aber genau an deiner Äußerung zeigt sich doch auch (und warum auch nicht, wie sind alle Menschen mit Prägungen), dass es auch bei dir Spuren hinterlassen hast: Pflichtgefühl, Disziplin etc. Aber eben auch Abwertung von 'Schwäche', Ansprüchen, Unzufriedenheit. "Mit Willen geht alles" - das ist doch gerade der Ausspruch von Menschen, die es mit viel Hindernissen zum Ziel gebracht haben und andere dafür verachten, wenn sie es nicht ebenso weit bringen. Dieses Verachten ist doch nur ein Verdecken der eigenen Enttäuschungen, die man auch erlebt hat, aber nicht drüber reden will, weil man diese 'Schwäche' von sich abgespalten hat.
Das kenne ich zu gut von meinen Eltern, die Kinder, die anders sind als man selbst, müssen dann als "Hassobjekt" herhalten.
Zusammengefasst zum Thema: ja, Armut kann folgen haben - sie kann hart machen.
 
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  • #26
Ich habe noch ein Nachzügler-Geschwisterkind, welches materiell sehr verwöhnt wird, aufgrund der Tatsache, dass jetzt das Geld in unserer Familie nicht mehr so knapp ist, wie es das früher war.

Meine kleine Schwester ist es gewohnt, 25 Euro für ein Paar hübsche Flip Flops auszugeben, oder 60 Euro für ein Konzert. Sie weiß nicht, wie vielen Arbeitsstunden das entspricht, weil sie (mit nun 21 Jahren) noch nie gejobbt hat. Sie bekommt einfach das, was sie haben möchte.

Ich dagegen habe mir schon als Schülerin mit Babysitten ein Taschengeld verdient, worauf ich auch stolz war. Deshalb konnte ich früher den Zusammenhang zwischen Arbeit und Geld herstellen.

Ich gebe zu, dass es für mich mitunter hart war, zu sehen, wie meine Klassenkameraden in den Skiurlaub gingen, was ich mir eben nicht leisten konnte.
Trotzdem finde ich, dass die totale Verwöhnung auch keine gute Alternative ist.

Ich denke, dass man Armut nicht idealisieren sollte, aber dass es wichtiger ist, dass die Eltern ihr Leben mit Würde zu leben wissen, und das als Vorbilder auch so vermitteln können.
Ich finde, dass zum Beispiel ein einfacher Arbeiter stolz auf sich sein kann, selbst wenn sich dies im Gehalt nicht widerspiegelt.
 
  • #27
Kinder die mit wenig Geld aufwachsen sind die selbtsständigeren und auch in sich gefestigteren Personen, ziehen früher aus und stehen mit beiden Beinen im Leben. Sofern sie gefördert werden und nicht in irgendeine Sauf & Rauf Szene abrutschen aber das passiert wohlhabenden auch.
 
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  • #28
Zusammengefasst zum Thema: ja, Armut kann folgen haben - sie kann hart machen.

Ich bin zwar nicht Gast #21, aber ich erlaube mir trotzdem zu antworten. *Hart machen* hört sich so verbittert an, was es aber meist nicht ist! Ich würde *hart* durch das Wort *stark* tauschen. Überwundene Armut kann stark machen und Tiefe bringen. Gibt es im bayrischen ein schönen Satz zu: *Was mich nicht umhaut, macht mich stark*.Man sprich auch von Resilienz - der inneren Stärke mit belastenden Situationen umzugehen.Sind oft die besten Psyhologen, nämlich die, die aus eigener Erfahrung gelernt haben und nicht aus dem Lehrbuch. Die können ihren Patienten wirklich helfen und wissen wo der Hase läuft!

Was mir persönlich bei stark behüteten Kinder aufgefallen ist, ist die enorme Anspruchshaltung an sein Gegenüber, ohne selbst etwas dazu beizutragen und, dass es oft sehr anstrengenden, egomane Zeitgenossen sind!

w
 
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  • #29
Bei uns gab es nie Geld da meine Eltern arme Bauern waren.
Keine Klassenfahrt, Urlaub sowieso nicht (Heuernte im Sommer), wir sind den Berg hochgelaufen mit dem Schlitten während die anderen Ski fuhren mit dem Lift usw.
Es hat mich bis 11 nicht gross gestört, wir hatten dafür immer unser eigenes Gemüse, Salate, Fleisch. Es wurde eingekocht usw. Meine Eltern waren immer da und es liefen im Schnitt mindestens 20 Tiere rum.
In der Pubertät wurde es aber anders, ich durfte dann mal mit bei den Tagesfahrten aber ich wolte dann nicht mehr: Während die anderen Cola und Mc konsumierten, hatte ich meinen Apfelsaft und mein Brot und davor gegessen.
Es hat mich zum Aussenseiter gemacht! Und Kleider bzw. pc was nicht mal so wichtig wie es heute ist.
Ich bin absolut selbtständig, kann kochen und backen und alles und schätze immer noch gesunde und lokale Lebensmittel aber ich hätte mir gewünscht dass ab und zu mal eine Pizza oder so drin gewesen wären.
w, 42
 
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  • #30
Meine Eltern waren wohlhabend, hatten erstens geerbt und waren beide Akademiker und in Vollzeit angestellt.

Beide sind Kriegskinder und beide extrem sparsam.

- bei uns wurden halbverdorbene Lebensmittel aufgessen ( nur vom Vater )
- das Essen kam ausschließlich von Aldi, was in den 70ern noch nicht gesellschaftsfähig war.
- ich mußte meine Klamotten tragen, bis sie ultimativ zu klein waren, erinnere mich an Strumpfhosen, deren Schritt sich nicht richtig hochziehen ließ. Ich hatte nur ein Paar Schuhe, weil man ja als Kind so schnell rauswächst.
- mein Bruder konnte nicht in den Fussballverein, weil mein Vater keine Stollenschuhe bezahlen wollte.
- ich hatte nie eine Barbie, sondern nur ( eine einzige ) Steffi, deswegen wollten die anderen Mädchen nicht mit mir spielen.
- wir machten mit der Klasse eine Radtour und mein Fahrrad war das einzige ohne Gangschaltung und ich kam nicht hinterher.

...

ich hätte noch massenweise Beispiele.

Ich bin ausgegrenzt worden.
Ich stand am Rand.
Ich habe das so gehasst.
Und ich habe mich sehr ungeliebt gefühlt, als ob ich es nicht wert war, schöne Sachen zu bekommen.
Sie haben es nicht mit besonderer Liebe kompensiert, dann hätte ich es vielleicht besser ausgehalten.

Die FS / Lehrerin hat recht: Kinder sind sehr materialistisch, das muss man sich nicht schönreden.
 
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