An dieser Stelle soviel - muß sich die Moderation dann überlegen, ob sie das veröffentlicht: Es gibt mittlerweile nicht wenige Therapeuten (auch Therapeutinnen!), die raten, Dienste Prostituierter wahrzunehmen.
Denn wenn man noch mit Mitte 20 in diesem Teufelskreis steckt, dann ist es -ehrlich gesagt - unwahrscheinlich, aus diesem Teufelskreis ohne weiteres herauszukommen. Andererseits ist aber die rein körperliche Befriedigung ein wichtiges Element seelischer Gesundheit. Die allfälligen Moralapostel, die jetzt heranposaunen werden, sind in der Regel zwei Fraktionen zuzurechnen: 1) Der christkatholischen, wobei ich fairerweise sagen muß, daß viele gläubige Katholiken heute sehr, sehr realistisch und großzügig sind. Die müssen sich dann nur überlegen, daß das Auftreten und Anhalten einer Krankheit wie Depression letztlich auch ein Versagen dessen ist, was sie vertreten. Bei Depressionen kann die Kirche nicht helfen, wie sie selbst sagt. Also hat sie auch zu schweigen, wenn es darum geht, diese Krankheit zu überwinden: Das ist dann die Stunde der Ärzte und des Ausnahmezustandes.
2) Die viel größere und selbstbewußtere Fraktion sind aber diejenigen, die ganz im Leben stehen und nur wahrnehmen wie frei und freizügig heute alles sei: Feministinnen, Zeitgeistler, Pseudoliberale, politisch Korrekte u. ä.: Ja, der moderne Durchschnittsmensch, der mit 17 seinen ersten Sex hat und dann ein befriedigendes Privatleben, kann sich das einfach nicht vorstellen. Denen empfehle ich, sich mit den Thesen Houellebeqs vertraut zu machen: Wir leben in einer Gesellschaft, in der die totale Freigabe von Märkten den einen ein erfülltes grenzenloses Leben auf Kosten anderer ermöglicht. Dann sollte man nicht auch noch über die unterlegenen richten (er analogisiert den Partner- übrigens zum Arbeitsmarkt). Und jeder, ob erfülltes Privatleben/Sex oder nicht, der keine Depressionen kennt (ich kenne auch den Typus des zufriedenen Junggesellen, der noch mit vierzig glücklich bei Mama wohnt), weiß nicht, was für eine Qual diese gesellschaftlich kaum akzeptierte Krankheit ausmacht. Da sind alle legalen Mittel nicht nur legitim, sondern sogar angezeigt.
In der Beantwortung der zweiten Frage liegt auch die Begründung für die Beantwortung der ersten Frage: Ich fürchte, es ist ein gewaltiges Hindernis. Ich kenne zwar auch Depressive, die in Beziehungen leben oder gar solche während der Depression begonnen haben. Wobei es ganz fatal ist, wenn Depressive Depressive lieben. Davon muß man abraten. Das entscheidende dazu kannst Du nachlesen bei Holger Reiners, Das heimatlose Ich, S.55 und S. 91. Der Autor bringt es auf den Punkt: Zumal Sex hat etwas mit Bejahung und Kraft zu tun. Daher kann ein Lebensmüder nicht Attraktivität ausstrahlen.
Ansonsten kann ich nur raten, den Kopf nicht hängen zun lassen: Das Thema Depressionen und Sex ist den meisten Menschen aus unterschiedlichsten Gründen unangenehm - übrigens auch vielen Therapeuten. Ich meine es ernsthaft, ich würde es einmal in einem gepflegten, verantwortungsvollen Bordell versuchen: Keine Angst, Du wirst dort nicht lieblos abgespeist. Die meisten Prostituierten sind liebe Menschen, die das gerne machen und auch ein offenes Ohr für Dich haben. Bedauerlicherweise - und das meine ich ernst - ist so etwas noch nicht in überschaubarem Maße erstattungsfähig, aber soviel Geld wirst Du ja noch aufbringen können. Ich würde dringend abraten, auf die für einen jungen Mann absolut erforderliche Sexualität in der Hoffnung auf Liebe und Beziehung zu verzichten: Die rückt dann nämlich in immer weitere Entfernung! Jeder vernünftige und unverklemmte Arzt wird Dir bestätigen, daß ein Mann von Mitte zwanzig regelmäßig Geschlechtsverkehr haben sollte. So paradox es klingt: Tu dies auch einer möglichen künftigen Partnerin zuliebe, denn so bist du keiner Frau zumutbar.