Ich finde, dass man virtuelle Suche überhaupt nicht mit der realen Welt vergleichen sollte und dass Vergleiche a la "ist wie Kneipe" grundsätzlich schiefgehen. Virtuell ist anders und sehr viele Teilnehmer können das auch korrekt einschätzen.
Virtuell ist zunächst anonym. Man hat Kontakte zu Menschen, die man nicht kennt und in den allermeisten Fällen auch nie kennenlernen wird. Dadurch zeigen viele Teilnehmer ihr wahres Gesicht und üben weniger Höflichkeit und Respekt. Das ist schade, zeigt aber nur den wahren Charakter dieser Menschen. Gut benehmen tun sich viele nicht, weil sie es im Herzen für nötig hielten, sondern weil es von ihnen erwartet wird und Zuwiderhandlung negativ auf sie selbst zurückfallen würde. Genau diese Aspekte entfallen in der virtuellen Welt und genau deswegen sind Menschen weniger höflich, sind sie gröber und respektloser, zu einem gewissen Teil aber auch authentischer und direkter.
Zweitens ist virtuell aber immer auch nur eine kleine Facette. Man sieht eine Selbstbeschreibung, ein statisches Foto, man lernt sich nur schriftlich kennen. Das zeigt natürlich sehr viel weniger, als wenn man sich noch so oberflächlich irgendwo live kennenlernt und Mimik, Gestik, Blick, Lächeln, Stimme zusätzlich wahrnehmen kann. Genau das erschwert allen Teilnehmern die Vorauswahl ganz beträchtlich. Manche bekommen weniger Chancen, als angemessen wäre, andere mehr, weil sie mit den paar Facetten positiv auffallen.
Drittens erscheint es nur so, als ob man virtuell öfter abgelehnt wird. In Wahrheit ist es so, dass man auch draußen maximal jeden 20sten als potentiellen Partner wahrnimmt und die allermeisten Menschen einfach vom Typ her nicht im Ansatz passen. Nur dass man mit all jenen auch gar nicht erst einen flirtiven Kontakt herstellt. Hier im Netzt dagegen wird zunächst eine einseitige Wahl getroffen und dann ein Korb kassiert, zu dem es real niemals kommen würde, weil man schon so merken würde, dass das eigene freundliche Lächeln nicht erwidert wird.
Ich stimme der These, dass man "ein dickes Fell bräuchte", aber ausdrücklich zu. Nicht wegen des Kneipenvergleichs, den ich für ziemlich abwegig und einfältig halte, sondern eben wegen der drei vorgenannten Punkte.