Liebe Schreiberin,
ich kann Deine Verzweiflung, Zerrisssenheit und Unsicherheit nachvollziehen.
Folgenden Gedankengang biete ich Dir an:
Es ist wichtig, dass Dein Mann sich eindeutig entscheidet. Er muss herausfinden, welche Gefühle er hat, welche stärker sind, welche von stabiler Dauer ! und innerer Verbundheit sind und was ihn glücklich macht, wie er sein Leben verbringen möchte.
Noch wichtiger ist: Unabhängig von ihm solltest Du selbst ! Antworten auf all diese Fragen für Dich finden. Genauso wie auf die Frage, ob Du ihm wieder vertrauen kannst. Du bist schlißolich die Betrogene - nun bereits das zweite mal und über einen sehr lange Zeitraum.
Wenn Du es mit ihm versuchen möchtest, hier ein paar Fragen:
Wirst Du morgens aufstehen können, ohne künftig jedes seiner Worte zu hinterfragen?
Wirst Du loslassen können, ohne zum Kontrollfreak zu werden?
Wirst Du ruhige Minuten verbringen können, wenn er ohne Dich das Haus verlässt?
Bist Du bereit, seine andere Beziehung in Konfliktsituationen künftig nicht immer wieder verbittert aus dem Schrank zu holen und ihm vorzuwerfen? Denn das wäre für eine Chance, in der Glück wieder wachsen kann notwendig.
Kannt Du ihm wieder uneingeschränkt vertrauen?
Wenn Du Antworten auf diese Fragen hast, wenn Du sicher bist, dass ein Leben mit ihm für Dich wirklich und ehrlich noch glücklich werden kann, erst dann ist es überhaupt von Bedeutung, wie er sich entscheiden würde. Mach Dich nicht zum Opfer einer eventuell dauerhaften Unentschiedenheit seinerseits und achte auf Dein Selbstwertgefühl, darauf was Dir gut tut.
Ich schreibe mit der Erfahrung der geliebten Arbeitskollegein.
Vorher hatte ich in meinem Leben klare Vorstellungen, habe mich immer als treue Person gesehen. Ich war ein Ausbund von extremen moralischen Vorstellungen.
Ehebruch oder die Beteiligung am Eheburch waren mir ein Tabu.
Ironischerweise golt das für meinen Kollegen auch. Bis aus unserem Schwarz-Weiß-Denken die quälende Erfahrung von Grautönen wurde.
Wir merkten, wie die Gefühle auf der Arbeit füreinander entstanden. Wir haben uns lange dagegen gesträubt, sind uns aus dem Weg gegangen, haben sogar offen darübr gesprochen, über unsere moralischen Grenzen, über die Sinnlosigkeit dieser Gefühle, über unsere Verantwortung seiner Frau und seinem Sohn gegenüber. Auch darüber, dass die Ehe der beiden unseren Prinzipien gemäß zu schützen ist. Wir sind in einem lange dauernden Kampf an unseren sehr starken Gefühlen gescheitert, haben ihnen nach einem Jahr nachgegeben.
Wie kann so etwas passieren? Ich habe es nie darauf angelegt. Man arbeitet 8-12 Stunden am Tag zusammen, verbringet mehr Zeit miteinander als mit jedem anderen Menschen, man löst gemeinsam Probleme, erarbeitet Strategien, und teilt Erfolge. So etwas kann unter Umständen der Entstehungsboden einer partnerschaftlichen Entwicklung sein - aber nur dann ! wenn etwas Anderes in der bestehenden Beziehung / der Ehe aus dem Gleichgewicht geraten ist oder fehlt.Es ist schade, dass Dein Mann dem Gespräch ausgewichen ist.(Vielleicht hat er sich diese Dinge, die möglichen Auslöser aber auch nie bewusst gemacht?)
Es gibt keine Entschuldigungen für unser Verhalten, keine Entschuldigung die der Ehefrau geholfen hätte. Zumindest bei uns stand die körperliche Anziehung nie im Vordergrund, obwohl sie sehr stark war. Selbst nachdem wir uns das erste Mal geküsst hatten, haben unsere inneren Grenzen der Moral - gerade und auch wegen der "schuldlosen" Ehefrau - uns noch viele Wochen von dem "Weitergehen bis zum letzten Schritt" abgehalten obwohl er die Hälfte der Woche bei mir übernachtet hat (Auswärtstätigkeit).
Ich habe damals die schönste, aber auch die schlimmste Zeit meines Lebens verbracht. Die Selbstvorwürfe und die Schuldgefühle haben mich und meinen Partner sehr belastet. Vor allen natürlich ihn. Er hat sich gequält und zermartert. Konnte irgendwann nicht mehr gut schlafen. Hat sich nirgendwo mehr zu Hause gefühlt. Hat sich zwischen zwei Welten und zwei Leben zerfleischt. Ich persönlich habe sehr oft an seine Frau gedacht. Diese Situation ist der Albtraum jeder Ehefrau - und jeden Tag war ich daran beteiligt. Und doch, jeden Tag war ich machtlos gegen die Liebe.
Das ist der Grund, warum man es aushält. Die Liebe. Wie gesagt, es gibt keine Entschuldigung, aber nicht jede Geliebte ist gleich eine Schlampe.Sie ist auch nur eine Frau mit einem Herz.
Sie stellt sich den Konflikten, lässt dem Ehemann die Zeit zur Entscheidung, ist sich bewusst, dass Mann solche Schritte nicht leichtfertig entscheidet. Sie wartet. Sie hofft. Sie hofft sehr viel. Sie weint sehr viel. Sie leidet mit ihm. Sie leidet und fühlt auch mit der anderen mit. Sie lässt ihm Raum, lässt ihm Zeit. Sie schickt ihn zurück zu seiner Frau damit er die Möglichkeit hat, sein Herz zu überprüfen. Sie will ja auch ihrer selbst sicher sein, und keine Ersatzfigur oder nur ein Fluchtweg aus ungeklärten ehelichen Konflikten. Sie wartet. Sie lässt ihm wieder Zeit.. Sie verzeiht.
Wir haben auch gelitten wie die Hunde - zuerst zu zweit, später quasi zu Dritt.
Er hat mit ihr gesprochen, sie verlassen und ging wieder zurück.
Dann kam er wieder zu mir. Am Ende war er emotional ausgebrannt. Immer unsicher, welchem seiner inneren Wünche er gerecht werden soll.
Mein Freund hat mich sehr geliebt, er tut es noch.
Und er hat sich für die Familie entschieden.
Er hat es nicht übers Herz gebracht, sich von Haus und Sohn und der Verantwortung zu trennen. Es hat ihn zerrissen. Er wollte seinem Herzen folgen und konnte sich der Verantwortung innerlich doch nicht entziehen. Es zerreisst ihn noch immer. Als ich ihn 2 Jahre nach der Entscheidung wieder traf, war er immer noch kreuzunglücklich. Und unsere Liebe füreinander ist bis heute vorhanden - wenn auch nicht mehr ausgelebt.
Falls Du es mit Deinem Mann wirklich wieder versuchen möchtest, dann rate ich Dir, Dir die oben genannten Fragen zu stellen und für Dich sicher zu stellen, dass es ihm beim Neuversuch wirklich um Dich als Frau geht! In erster Linie um Dich! Um Deine Seele und Dein Sein.
Wenn das nicht so ist, werden Du und er leiden.
Auch ein jugendliches Kind leidet mehr unter unglücklichen und einander entfremdeten Eltern als unter getrennten. Und naja, ein Haus oder das Materielle wärmen Dein Herz nicht - das kann nur die uneingeschränkte Liebe Deines Mannes.
Es gibt ein Buch, dass in jeder Beziehung und in jeder Perspektive eine Hilfe sein kann, um erst mal die eigenen inneren fragen und Zweifel zu klären, also in diesem Augenblick erst mal Deine:
"Soll ich bleiben, soll ich gehen".
Vielleicht habe ich zu viel geschrieben.
Vielleicht hilft es.
Ich wünsche Dir viel Kraft, viel Ruhe und eine Klärung, die Deinen Frieden und Dein Glück sichert.