Für meine Familie gilt die gleiche Regel wie für Fremde: Wenn ich nicht selbst frage, will ich auch nichts zu meinem Äußeren hören. Mein Vater lässt mich beispielsweise gerne wissen, dass er mich für zu dünn hält, was mich zwar nicht ankratzt, aber auch nicht interessiert.
Meine Freunde sind hingegen gerne eingeladen, ihre Meinung zu äußern, solange sie dabei nicht respektlos werden oder erwarten, dass ich mein Äußeres verändere, um ihrem Geschmack zu entsprechen, doch das kam zum Glück noch nie vor. Ich weiß gerne, was meine Freunde von meiner Kleidung oder meinem Haarschnitt halten, weswegen ich auch öfter selbst nachfrage. Manche Anregungen übernehme ich, manche nicht.
Mein Partner ist hingegen nicht nur eingeladen, seine Meinung zu äußern, ich erwarte es sogar von ihm. In einer Freundschaft ist mein Aussehen unwichtig, in einer sexuell gefärbten Beziehung hat mein Äußeres hingegen Auswirkung auf das Begehren meines Partners. Wenn sich eine Äußerlichkeit darauf auswirkt, wie attraktiv mich mein Partner findet, dann schuldet er es mir, dies auch offen zu kommunizieren. Es ist mir wichtig, dass mein Partner mich auch körperlich attraktiv findet und daher würden diese Worte schmerzen, aber gerade weil es von Bedeutung ist, muss es gesagt werden. Ich möchte nicht, dass mein Partner mich in Watte packt, während sein Begehren heimlich schwindet, bis es mich vielleicht irgendwann mit einer Trennung vor vollendete Tatsachen stellt.
Welche Konsequenz ich aus seiner Offenheit ziehen würde, kommt ganz darauf an, um was es sich handelt. Hätte ich beispielsweise in der Beziehung aus reiner Bequemlichkeit zehn Kilogramm zugenommen, würde ich das als ernsthaften Warnschuss nehmen und spätestens dann etwas tun, um wieder zu meiner früheren Figur zu gelangen. Hätte hingegen mein Partner eine Vorliebe für Körpermodifizierungen entwickelt, würde ich meinen Körper nicht mit Piercings oder Tätowierungen versehen. Das widerspricht grob meinem Ästhetikverständnis und ich wäre nicht bereit, dagegen zu verstoßen, um meinem Partner zu gefallen. Ich möchte meinem Partner gefallen, aber noch wichtiger ist es für mich, mir selbst zu gefallen. Wenn sich beides nicht vereinen lässt, ist das vermutlich der Anfang vom Ende.
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