Das Leben ist doch eh eine "chronisch, progredient verlaufende degenerative Erkrankung mit sicher tödlichem Ausgang".
Insofern ist das Recht zu leben auch ein Recht zu sterben, denn leben läuft unweigerlich auf den Tod zu.
Ich glaube aber es geht hier um die Frage des "Freitodes, Suizid, Selbstmord" oder wie man das auch immer nennen mag.
Ich glaube wir haben tief in uns im Grunde nur 2 emotionale "Motoren", die uns zum Handeln bewegen.
Die Angst, die uns zum "vermeiden" veranlaßt, und die Sehnsucht, die uns wiederum Mut macht unser Leben zu gestalten.
Und nie ist etwas nur "schwarz-weiß". Hinter jeder Angst ist auch eine Sehnsucht und hinter jeder Sehnsucht auch wieder eine Angst.
In den meisten Fällen ist aber der Suizid keine Entscheidung, die aus einer "Todessehnsucht" heraus getroffen wird, sondern meist aus einer "Lebensangst".
Das heißt die Betreffenden wollen etwas "vermeiden" - Schmerzen der Seele, oder Schmerzen des Körpers, oder ...
Immer dann, wenn ich merke, dass mein Handeln von Angst geprägt ist, frag ich mich selbst, welche Sehnsucht vielleicht dahinter steckt, denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass mein Leben eine andere Qualität gewinnt, wenn ich mich mehr von meinen Sehnsüchten und nicht von meinen Ängsten leiten lasse. Und die meisten Menschen erkennen dies auch im Rückblick auf ihr Leben, dass sie die besten Zeiten hatten, wenn sie wußten was sie wollten und "von Sehnsucht getrieben" ihr Leben selbst gestaltet haben.
Wenn jemand solch ein Frage hier öffentlich stellt, dann läßt es vermuten, dass er/sie nicht hinter die Angst schauen will momentan, um die Sehnsucht zu erkennen, die damit verbunden ist.
Manchmal meinen wir auch - gerade in "Liebesangelegenheiten" - dass es die Sehnsucht danach wäre, etwas ganz Bestimmtes von jemand ganz Bestimmten zu bekommen. Die wirklichen Sehnsüchte finden wir aber meist nur in uns selbst. Wer alleine ein gutes eigenverantwortliches Leben führt, der kann lieben, ohne aufzurechnen, was ihm "geboten" wird dafür und er kann auch "loslassen".
Nicht nur Dinge, Menschen, .... vielleicht auch seine Ängste. Und irgendwo ist es eine tiefe Überzeugung von mir, dass unser Leben einen große Aneinanderreihung von "Loslassübungen" bezüglich unserer Ängste ist. Ein Kind lernt auch glaub nur laufen, wenn seine Sehnsucht größer ist sich selbst zu bewegen und die Welt aktiv zu erkunden und zu gestalten. Wenn die Angst vor dem fallen/straucheln grösser wäre, als diese Sehnsucht, dann würde es nie aus dem Krabbelalter herauskommen. Und an diesem Beispiel kann ich vielleicht auch verdeutlichen was ich meine mit "etwas haben wollen" - wenn sich das Kind nur tragen läßt - getragen wird, dann findet es vielleicht seine eigenen Sehnsüchte in sich selbst nicht und meint es hätte Sehnsucht "getragen zu werden" von der Mutter, so wie jemand der liebt und meint sein Leben eigenes Leben sei sinnlos, wenn er nicht von dem Geliebten "getragen" wird....
Und aus eigener umfangreicher Erfahrung in Sachen Sterbebegleitung kann ich sagen:
Ich habe schon bei einigen Menschen am Bett gesessen, wenn sie ihren "letzten Schritt" getan haben (was ich im Übrigen nie als Bürde, sondern immer als "Ehre" empfunden habe) und diejenigen, die wirklich "in Frieden" gegangen sind, waren die Menschen, die gelernt hatten ihre Ängste loszulassen. Sie haben nämlich dann auch ihre Angst vor dem Tod losgelassen und sind "irgendwohin" und nicht "irgendwo weg" gegangen.
hm....
Ich glaube unabhängig vom Recht auf leben oder sterben kann es sich immer lohnen in sich hineinzufühlen und zu schauen, was uns bewegt. Wer sich mit Suizid beschäftigt neigt so leicht dazu die Angst vor dem Leben mit einer Sehnsucht nach dem Tod zu verwechseln, weil ihm dies Angst vor dem Leben den Blick auf die Sehnsüchte des Lebens versperrt.
Um diese Sehnsüchte nach dem Leben in sich selbst zu finden braucht man manchmal Hilfe und manchmal Zeit. Wenn ich heute diese Sehnsüchte nicht finde, dann begegnen wir ihnen vielleicht morgen, und wenn nicht, dann vielleicht übermorgen ....
"Komm mit!" sprach der Esel zum Hund. "Etwas besseres als den Tod findest Du überall!"
Die Bremer Stadtmusikanten