Ok. Also deine Fragen sind:
1. "Gleichgeschlechtliche Liebe - immer noch gesellschaftlich verpönt?"
Das kommt wohl sehr auf den biographischen Hintergrund der jeweiligen Person an, die darauf antwortet. Wie du oben schon liest: in der Stadt weniger verpönt als auf dem Land, bei konservativ Denkenden mehr als bei Offenen usw. Das ist alles keine Wertung, sondern eine Tatsache. Als solches ist sie hinzunehmen. Ich persönlich gehe davon aus, dass es sehr lange braucht, bis Gesellschaft sich wandelt (die Inhalte sind dabei m.E. nach nicht bestimmend, sondern die Tatsache, dass Bewusstseinswandel nur über Generationen hinweg langsam vonstatten geht).
2. "Wie steht Ihr dazu?" Klar heißt es überall: Wir sind tolerant, homosexuell..na und? Dennoch frage ich mich, ob es wie mit der Emanzipation ist..."
Nun ja, ich (w,57) hielt mich jahrzehntelang für eine sehr offene tolerante (Hetero-)Frau, akzeptierte selbstverständlich auch Homosexualität, heißt: störte mich weder an schwulen Männern, noch an Lesben und ging davon aus, dass meine Offenheit nicht aufgesetzt, sondern echt ist - - - bis zu dem Tag, an dem eine sympathische Frau mir gestand, dass sie sich verliebt habe. In mich. Freundlich, tolerant und offen dankte ich ihr für ihr Vertrauen (mir das zu sagen) und ich sei's nicht. Tags darauf musste ich mir eingestehen, dass ich die Frau nicht wirklich angehört hatte und ich kein Stück offen war, sondern in meiner freundlichen, ach so toleranten Haltung mich gar nicht erst erreichen ließ von ihrer Mitteilung.
Da bemerkte ich, wie ich mir - ohne mir dessen bewusst zu sein - etwas vorgemacht hatte, wie sich viele etwas vormachen, die da denken, sie würden akzeptieren, Nein, gar nicht. Das ist schöner Schein. Wenn's in die Nähe kommt, dann ist Aufrichtigkeit gefragt, egal, ob Mann oder Frau. Ich habe vieles in mir entdeckt, wovon ich nicht wusste. Ängste, Widerstände...
Hätte mir das davor jemand gesagt, ich hätte abgewinkt. War ich ja doch von meiner Toleranz überzeugt...
Ich hab's gewagt, mich einzulassen. Die erste und einzige Liebesbeziehung mit einer Frau. Sie dauerte nicht sehr lange. Sie hat mir aber eine Welt erschlossen. Die andere, bisher vermiedene. Dafür bin ich ihr (und mir selbst auch) sehr dankbar. Jetzt muss es kein Mann mehr sein, weil's anders einfach nicht denkbar ist. Und liebende Frauen sind nicht mehr für andere (weit weg irgendwo aber nicht in meiner Nähe) als Partnerinnen "toleriert" und in Wirklichkeit unmöglich. Das ist vorbei.
Als Partner suche ich einen Mann.
Und mittlerweile weiß ich: Liebe ist Liebe. Und es ist nicht mehr von vorneherein die Hälfte der Menschheit davon ausgeschlossen. Dass mein tolerantes Denken gar nicht so tolerant war, nur so schien, das hätte ich vor der Erfahrung nicht für möglich gehalten.. Mittlerweile höre ich's raus, wer wirklich offen ist und wer "so tut, als ob".
3. "Mich würde hier also interessieren, ob gleichgeschlechtliche Liebe jemals so etabliert werden kann in unseren Köpfen, dass wir nicht zweimal hinschauen, wenn wir ein händchenhaltendes oder knutschendes Männerpärchen sehen...Was meint Ihr?"
Wird wahrscheinlich noch lange, lange dauern, bis die unterschiedliche WERTUNG von gleich- und gegengeschlechtlicher Liebe in den Köpfen beendet ist.
Hat auch lange, lange gebraucht, bis keiner mehr Angst davor hatte, am Rand der Scheibe runter zu fallen und klar war, dass die Erde tatsächlich rund ist. Noch länger hat's gebraucht, bis es keine verrückte oder gefährliche Aussage mehr war, zu vertreten, dass die Erde um die Sonne kreist und nicht umgekehrt. Es gab Zeiten, da verbrannten Menschen Menschen, weil sie das für richtig hielten und öffentlich sagten. Es gab auch Zeiten, da verbrannten Menschen Menschen, weil sie homosexuelle Liebe für richtig hielten und das auch öffentlich zeigten. Das ist noch nicht lange her - und ich behaupte, dass dies noch immer seine (unbewusste) Wirkung hat - auch wenn gleich etliche hier aufschreien, dass dem nicht so sei und wie sehr toleriert oder wie verkehrt die gleichgeschlechtliche Liebe doch sei...
Nein, ich bin der Meinung, sie ist nicht verkehrt. Sie ist, was sie ist: die Liebe zwischen zwei Menschen gleichen Geschlechts. Daran ist nichts verirrt, nichts falsch und nichts krank.
Es ist, was es ist: Liebe.