ich bin in einer gegend aufgewachsen, wo alle kinder auf die ansässige hauptschule oder auf die nicht viel anspruchsvollere gesamtschule gingen. in meinem wohnort gab es gar kein gymnasium. dank meines grundschullehrers (ich bin ihm auf ewig dankbar!!) wurde ich dennoch auf einem gymnasium angemeldet und musste jeden morgen ewig weit fahren.
ich wurde so schnell im wohnort zum außenseiter, hatte ab der 5. klasse in meinem wohnort keine freunde mehr. die menschen neigen dazu sich mit ihresgleichen zusammen zu rotten, alles was nicht passt ist unheimlich und wird ausgegrenzt. so ist es eben. ich war "die da", das wurde in der frühen Pubertät noch schlimmer. Die Jungs haben mich gemieden und die Mädchen haben schräg über mich abgelästert, das war nicht immer ohne Aggressionen. Mir wurde täglich mit einer extremen Arroganz begegnet. Ich hatte gar keine Chance, Kontakte aufzubauen.
Erst später so mit 16 habe ich dann wenigstens 2 Jungs kennen gelernt, die irgendwann verstanden haben, wie wichtig eine gute Ausbildung für das Leben ist und sie fanden das irgendwie bewundernswert, dass sich eine aus dem Ort nach oben gearbeitet hat. Sie haben sich mit mir angfreundet und mit 1 von den beiden bin ich auch heute noch bekannt.
Ich hatte eigentlich nie Berührungsängste mit Nicht-Abiturienten, ich meine, ich bin unter dieser Bildungsschicht aufgewachsen. Ich hatte später so mit Anfang 20 auch 2 Beziehungen mit Hauptschülern, die ich als Studentin irgendwo im Nachtleben kennen gelernt hatte. Beide waren schon nicht gewöhnliche Hauptschulabsolventen, also nicht so die typischen Handwerkertypen, sondern vielseitig Interessierte, nur eben nicht mit hohem Schulabschluss. Es hat mit beiden aber nicht geklappt, weil das Bildungsgefälle die Männer leider doch sehr gestört hat. Es war ihnen nach einigen Monaten einfach unangenehm, täglich mit der eigenen ungewollten Realität konfrontiert zu werden. Ich habe ihnen durch mein Leben einfach Druck gemacht, sich mit sich selber auseinander setzen zu müssen, das es da noch was zu erreichen geben könnte, dass man dafür aber andere Voraussetzunen schaffen müsste. Mit Anfang 20 habe ich das nicht verstanden, für mich stand damals ja noch "ich liebe Dich doch" im Vordergrund.
Aber heute verstehe ich die Männer sehr gut. Sie wussten schon, was passieren würde, wenn ich fertig sein würde mit meiner Ausbildung. Ich habe 2 Studiengänge parallel abgeschlossen, bin im TOP-Management tätig. Die beiden hätten in meine Leben einfach nicht mehr hinein gepasst.
Ich würde mich heute mit Mitte 40 nicht mehr mit jemandem einlassen, der zu weit weg von meinem eigenen Aubildungsstatus ist. Es klappt einfach nicht.
Ich würde mich nicht deswegen nicht mehr mit einem Hauptschulabgänger einlassen, weil das 2. oder 3. klassige Männer sind, das muss gar nicht sein, kenne genug andere Beispiele von Hauptschulabsolventen im Erwachsenenalter.
Aber man lebt letztlich doch in getrennten Welten, so dass eine dauerhafte Beziehung zu problematisch ist, finde ich.
Und diese Diskussion um die ganzen verkannten Hochbegabten, die alle auf Hauptschulen ihr Dasein als unerkannte Genies fristen ... ja ja ... völlig überbewertes Thema in unserer Hochleistungsgesellschaft.