Lieber FS,
eine kleine Anekdote dazu: Ein Exfreund von mir hat einmal gemeint, sich um mich kümmern zu müssen, als ich mit Grippe im Bett lag. Mir ging es total elend und ich wollte einfach nur meine Ruhe, und dass er wie eigentlich geplant den Abend mit seinen Freunden verbringt. Das sagte ich ihm auch, aber er bestand auf seiner Umsorgung und ich gab auf in der Annahme, es sei ihm einfach ein Bedürfnis, mir auf diese Weise seine Anteilnahme und Liebe zu zeigen.
Aber dann wollte er Sex dafür.
Mit einer ähnlichen Begründung wie du: er hätte mir ja auch was Gutes getan, es würde nicht lang dauern und ich müsse doch nur da liegen. Das sei wohl nicht zuviel verlangt. Ich hielt das für einen schlechten Scherz – zumal ich in dieser Situation ganz sicher nicht sexy aussah, geschweige denn mich so fühlte –, aber es war sein voller Ernst. Ich fühlte mich dann echt irgendwie in der Bringschuld (war damals erst 19 und konnte mich nicht gut abgrenzen), versuchte, es einfach über mich ergehen zu lassen – und brach mittendrin in Tränen aus.
So schrecklich war diese vermeintliche Bedienungspflicht entgegen meiner eigenen Bedürfnisse in diesem Moment. Das Gefühl, für niederste Triebe benutzt zu werden. Die Erwartungshaltung, dass meine intimste Sphäre invadiert werden darf, egal, wie es mir dabei geht. Die Empathielosigkeit bzw. Ansicht, dass da nicht mal was dabei wäre und ich mich nicht anzustellen hätte. Denn es sei doch eine rein mechanische Gefälligkeit wie eine Massage, oder eine alltägliche Dienstleistung wie Kochen oder Putzen, die man auch mal macht, obwohl man da gerade keinen Bock drauf hat...
Nein, es ist etwas völlig anderes. Dass ich in dem Moment einfach nur als seelenloses Stück Fleisch mit primären und sekundären Geschlechtsmerkmalen gebraucht wurde, damit er ein paar Körperflüssigkeiten ablassen konnte, war abstoßend und demütigend. Da fühlt man sich in der Tat mehr als Toilette denn als (geliebter) Mensch (danke für dieses anschauliche Bild,
@NormaJean).
Die Beziehung hielt danach nicht mehr lange.
Sicher ist es bei dir, FS, nicht so extrem. Aber über kurz oder lang könnte sich deine Freundin bei ständiger Bedrängnis ähnlich ge- oder sogar missbraucht fühlen, und immer mehr Widerwillen, Abneigung oder gar Ekel dir gegenüber entwickeln. Wenn dir etwas an einem guten Sexleben (dies bitte klar trennen von "tägliche Masturbationshilfe kriegen") und der Beziehung liegt, verlang das nicht von ihr, schon gar nicht täglich. Für Selbstbefriedigung ist man, wie der Name schon sagt, selbst zuständig. Und wenn es da bei dir hakt, ist das der Punkt, an dem du ansetzen solltest, statt zu erwarten, dass sie dein Problem auf vermeintlich bequeme Weise löst. Es verlangt viel mehr von ihr, als du glaubst.
W, 27