Liebe FS,
auch mich hatte ein Mann, der ganz offen über seine Eigenarten schrieb (eindeutig Eigenbrötler), bis vor ganz kurzem noch mit seinen Zeilen zum Träumen gebracht. Und ich ihn. Berufsbedingt musste ich einige Wochen bis zum ersten Treffen verstreichen lassen, wir haben viel telefoniert und uns per mail intensiv über unser Innenleben ausgetauscht. Beide haben immer wieder versucht, die ganze Sache auch "realistisch" zu sehen. Trotzdem stand bald das Wort "Seelenverwandschaft" in großen Lettern über dem ganzen Austausch.
Er und ich - beide lebenserfahren, durch den Job auch psychologisch geschult: Wir waren uns des Unterschieds zwischen Schreiben und einer Begegnung beim ersten Date sehr wohl bewusst.
Wir trafen uns dann endlich. Zweimal.
Auf beiden Seiten war nicht die Erwartung da, sich auf den ersten Blick zu verlieben.
Ich habe mich mit ihm einfach wohlgefühlt und hätte ihn gerne weiter real kennen gelernt. Ein nächstes Treffen war geplant. Plötzlich wurde aus dem sympathischen Eigenbrötler ein scharfer Kritiker, der mir "störende" Faktoren im Bezug auf mich schriftlich auflistete. Teilweise bezog er sich auf Dinge, die zuvor in all diesen schwärmerischen mails vertrauensvoll ausgetauscht worden waren. Nicht angenehm.
Der liebevolle, mitreißende Mail-Schreiber, der ernste, hochinteressante Mann der realen Begegnung, zeigte eine neue Seite. Ambivalent: zum einen hätte ich zu wenig Zeit für ihn, dann wieder wäre ihm das alles zu eng, eigentlich würden wir doch so gut zusammenpassen, aber dies oder jenes störe ihn eben. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt weiter in die Zukunft geplant, wollte einfach sehen, wohin sich alles entwickelt.
Der Zusammenbruch dieses Kontakts war für mich schwer wegzustecken. Aufgrund des so unglaublich intensiven Austausches - per mail - zu Beginn: Es war hart, von diesem was-ist-denn-bloss-passiert, da war doch so viel gemeinsame Wellenlänge runterzukommen. Auch weil ich bislang noch nie eine solche Geschichte erlebt hatte. Ich kannte eher die kurze & knappe Kommunikation, dann so schnell wie möglich treffen.
Fakt ist: Ich habe bei den realen Treffen nicht seinen Wunschvorstellungen entsprochen. Er hat danach noch eine Weile überlegt, mich "warmgehalten", dann für sich den Fall abgeschlossen und die nächste Frau online kontaktiert.
So ist das Leben, könnte man jetzt sagen. Gelernt habe ich auch etwas: Mein Cyrano d. Bergerac sucht seit vielen Jahren online. Er weiß um die Wirkung seiner Worte. Und ich war trotz aller Bodenhaftung viel zu anfällig für die Idee, endlich die Frau zu sein, die er schon immer gesucht hatte.
FS, ich hoffe, dein Schreiber entpuppt sich im Leben da draußen als bindungsfähiger Eigenbrötler. Möge der Funke bei Euch überspringen. Finde es schnell heraus. Erspare dir unnötige Enttäuschungen.
w, 40