• #1

Ich verstehe diese Bindungsangst nicht

Hallo,
ich (w) habe eine Frau kennengelernt (beide Mitte 30). Von Vornerein hatte sie eine andere Frau, die in einem anderen Land lebt, die sie jedes Jahr mal 3 Monate am Stück sieht (leben dann eine Art Beziehung). Lieben tun sie sich nicht, es scheint ein Sicherheitskonstrukt zu sein. Zwischen uns war es emotional sehr intensiv und nachdem ich meinte, dass ich keine Dreierkonstellation will, hat sie das Kennenlernen abgebrochen, weil sie sich von der anderen nicht trennen kann (bezeichnet sich aber trotzdem als Single). Sie käme nicht damit zurecht, dass ich bereit wäre für eine Beziehung und hat sich deswegen für die Trennung entschlossen, weil sie so überfordert damit sei.

Das Thema Bindungsangst hatten wir offen diskutiert. Sie meinte, sie kann anscheinend keine Verbindlichkeit eingehen und hatte in der Vergangenheit schon sehr oft diese Nähe-Distanz-Dynamiken. Diese andere Frau hatte sie dann immer wieder aufgefangen. Emotional war zwischen uns alles optimal, daran kann es nicht gelegen haben. Sie ist halt ein rastloser Mensch, viel im Außen, zwar reflektiert, aber irgendwie in ihren Strukturen gefangen (sie will es mit der anderen beenden, aber auch wieder nicht). Unser Kennenlernen ging nur knapp 1,5 Monate, aber es kamen sehr viele emotionale Zugeständnisse – sogar noch 3 Tage vor ihrem Cut hat sie mir eine halbe Liebeserklärung gemacht. Kurz nach ihrem Cut sehe ich ihre sehr hohe Aktivität auf einem Singleportal (sie hat zwar nicht die Single-Einstellung auf ihrem Profil, aber ist mehrmals am Tag online). Ich frage mich, was nach so einem intensiven Kennenlernen in einer Beziehungsängstlichen vorgeht…wie kann sie sich so derart in neuen Kontakt reinstürzen? Ich verstehe das nicht, dass man das alles wegdrücken kann und so weitermachen kann, als ob nichts gewesen sei…Kann mir jemand dieses Gefühlswirrwarr erklären, was in einer Bindungsängstlichen vorgeht?
Ich danke Euch!
 
  • #2
Ein sehr interessantes Thema. Bindungsangst. Oft liegt sie vor und wird von den Betroffenen nicht erkannt oder dient auch nur mal so als Ausrede. Aber unter dem Strich ist das Ergebnis immer gleich.

Und so hangeln wir uns mal an den Indizien entlang: Fernbeziehungen werden von Beziehungsängstlichen gerne mal bevorzugt, denn da lässt sich die Nähe doch etwas fernhalten.

Und so hangeln sich die Betroffenen durch ihr Liebesleben. Mit dem, was sie zulassen können, sind sie nicht glücklich. Und das, was sie sich wünschen, können sie nicht zulassen.

Und was springt für Dich dabei heraus liebe Fragestellerin: Kummer und Leid. Dein Glück wirst Du bei ihr nicht finden. Vielleicht ein klein wenig, wenn Du es ständig schaffen solltest, alle Deine Bedürfnisse auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Wenn Du eine Hungersnot in Kauf nehmen würdest. Anspruchslos niemals etwas fordern und auf die kargen Zugeständnisse warten, die man Dir vielleicht macht. Heilen wirst Du sie mit Deiner Liebe nicht.
 
  • #3
Naja, wirklich erklären was in ihr vorgeht, kann sie nur selbst.
Bindungsängstliche wünschen sich ja eine Beziehung, können sie aber nicht leben. Sich in einen neuen Kontakt reinzustürzen, ist typisch für dieses Muster - eine unrealistische Hoffnung, oder auch Ablenkung, und das dann auch wieder abrupt zu beenden wenn es zu verbindlich wird.
Die Fernbeziehung ist da schon eine ideale Lösung für sie.
Aber insgesamt: man kann nicht immer alles verstehen. Ich kann es nachvollziehen, weil ich auch sehr rational bin, aber im Endeffekt geht es darum zu akzeptieren, daß nicht alles zu verstehen ist und es einfach so stehenzulassen. Sonst kostet es unnötig Energie.
 
  • #4
Sie fährt halt gern zweigleisig, die Frau als Sicherheitsanker im Hintergrund, dazu ein paar Affären.
Oder sie steht einfach nicht wirklich auf dich.
Hör auf dich für sie passend zu machen, sie ist nicht die Richtige für dich. Was willst du mit einer Frau, die eine Nähe- Distanz -Problem hat? Über die Hintergründe gibt's 1000 Theorien, das einzige, warum interessiert dich eine gebundene Frau so?
 
  • #5
Ich kann verstehen, dass sie an dieser anderen Frau festhält. So kann sie eine Halbbeziehung aufrecht erhalten und das auf viel Distanz. Für sie optimal, für dich in dieser Kostellation nicht.

Ich frage mich, was nach so einem intensiven Kennenlernen in einer Beziehungsängstlichen vorgeht…

Das beantworte ich dir erfahrungsgemäß mit: Panik!

Bindungsphobiker leben die Ambivalenz "komm her, geh weg" Alles was mit zuviel emotionaler Nähe und Verbindlichkeit zu tun hat ist gleichzeitig verbunden mit Angst, Panik, körperlichen Beschwerden (zb Herzrasen, Schweißausbrüche, Engegefühl in der Brust uvm.)

Primär steht nicht die Angst vor einer Beziehung im Fokus sondern die Angst davor verlassen zu werden, die Angst davor verletzt zu werden und dem liegen wiederum Traumatisierungen zugrunde entweder entstanden in der Kindheit (betrifft häufig die Beziehung zur Mutter) oder durch schlechte Beziehungserfahrungen. Je nachdem wie tief verwurzelt die Problematik ist, wie hoh der Leidensdruck bei ihr ist liegt es an einem Verhaltenstherapeuten die Ursachen zu ergründen und aufzulösen. Ein Partner/potentieller Partner hat kaum eine Möglichkeit einzugreifen. Was hier tiefgreifend fehlt ist das Gefühl von Sicherheit und Vertrauen.

Es ist auch nicht selten der Fall das Partner von Bindungsphobikern selbst eine Therapie brauchen. Der eine rennt weg aus Angst vor Nähe und der andere rennt hinter her aus Verlustängsten. Das ist ein sehr ungesunder Kreislauf.
Ich kann dir nur anraten, leb dein eigenes Leben weiter. So lange sie nicht bereit ist aktiv an sich zu arbeiten hast du keine Chance an sie ranzukommen. Das sie aktiv momentan auf Singleportalen unterwegs ist das ist in reines kompensieren, sich Luft schaffen. Enge Bindungen werden auch da keine entstehen.
 
  • #6
Sie ist halt eine sehr reflektierte Frau und sieht auch ihre Themen, das ist das kuriose daran. Gleich am Anfang meinte sie, dass sie diese Nähe-Distanz-Trigger hat, aber sich weiterentwicklen will. Deswegen habe ich daran festgehalten. In ihrer Abschiedsmail meinte sie auch, dass sie gehofft hatte, dass es klappt, aber dass sie es nicht packt. Emotional hat sie mir vollstes Commitment gegeben. Das ist ja das schwierige: sie hat diese Gefühle für mich, will sich weiterentwickeln, trotzdem kehrt sie zurück zu der anderen Frau zurück - ihrer Basis (so nannte sie sie). Ich kann es rational alles irgendwie nachvollziehen, dass sie sich lieber in ihre kleine Traumwelt mit der anderen zurückzieht, aber ich empfinde es schwer nachzuvollziehen, gegen seine Gefühle zu agieren/bzw. es zu können. Aber das liegt auch an meinem Naturell, ich bin ständig in der Auseinandersetzung mit meiner inneren Welt und lösungsorientiert. Glaube, damit habe ich sie auch fasziniert - nur dass sie gemerkt hat, dass ihr die Kraft dazu fehlt.
Ich halte mich ja nicht an wischiwaschi fest, sondern da waren einige Momente, als sie meinte "sie hätte das Gefühl mich seit ewig zu kennen" oder wir in unser Zweisamkeit verschmolzen waren. Sie hat alles so gemeint, was sie gesagt hatte...sie hatte 10 jahre lang eine recht merkwürdige verbindung mit ihrer besten (hetero) freundin, will ausbrechen, aber resigniert. ich kann mir diese panik gar nicht so krass vorstellen, dass man gegen seine gefühle handelt...
 
R

rosenmann

Gast
  • #7
Das ist ihr Problem, nicht deines, Du musst das nicht verstehen.

Mach dir Gedanken, warum du dich an so einem Fisch festbeißen möchtest, den du eh nicht wirklich zu fassen kriegst. Das ist verschwendete Zeit.
 
  • #8
Kann mir jemand dieses Gefühlswirrwarr erklären, was in einer Bindungsängstlichen vorgeht?

Ganz einfach1 Du bist du und sie ist sie, du brauchst sie nicht verstehen und sie dich auch nicht, wenn es nicht passt dann passt es eben nicht, das ist dein Problem, das ist alles! Das Problem habe ich zu Tausenden schon gelesen und gesehen, da bist du also nicht alleine! Bleib nicht stehen, gehe weiter!
 
  • #9
Und das glaube ich auch, dass sie Gefühle für dich hat, nicht irgendwas vorgaukelt und häufig sind sie auch reflektiert wie auch andere Menschen mit psychischen Erkrankungen aber sind derart in ihren Mustern verankert, dass es ihnen schwer fällt eine Veränderung zu erzielen. Mit Sicherheit agiert sie nicht gegen ihre Gefühle sondern gegen die Angst die viel größer ist und die Gefühle überdeckeln.
 
  • #10
Wenn Du selbst keine Bindungsangst hast oder ein Nähephobiker bist, dann wirst Du dieses Gefühl von Panik nicht verstehen und was diese Panik alles in ihr antreibt oder auch zerstört.
Sie hat sich ihr Leben mit ihrer Angst bequem eingerichtet. Wie jemand schon schrieb, die Auslandsbeziehung als Sicherheitsnetz ohne tiefgehende Gefühle und Enge und nebenbei zeitweise Affären.

Du kannst von ihr nicht verlangen, sich von dieser Freundin zu trennen. Für irgendeine Gefühlslage braucht sie diese, auch für ihr inneres Gleichgewicht und Stabilität im Leben.

Es ist auch gleichgültig wie tiefgründig eure Beziehung ist und war als auch wie reflektiert sie scheint. Manchmal weichen Verhalten und Worte gravierend voneinander ab, wir glauben unsere Muster zu kennen und können jedoch unser Verhalten nicht ändern, weil es tief in unserem Charakter/Verhaltensweisen verankert ist und dort durch was auch immer getriggert wird.
Auch wenn ihr stetig darüber redet, ihr könnt nur vermuten, was der Grund sein könnte oder ist, jedoch die "Störung" geht so tief, dass wir hier das Verhalten nicht bewusst steuern und aktiv ändern vermögen.
Eine komplette Verhaltensänderung bei dieser Angst/"Störung" nur durch reden ohne fachberufsspezifisch-therapeutische Begleitung halte ich für unmöglich.
 
L

Lionne69

Gast
  • #11
Liebe Chrissy,

man handelt nicht unbedingt gegen seine Gefühle.

Es gibt die Seite, die Beziehung sucht, möchte, herbei sehnt, Nähe empfindet, Liebe empfindet - und das sehr schön findet.

Und die Seite, die Angst hat, misstrauisch ist, Zweifel hat - die wie bei einer selbsterfüllenden Prophezeiung alles dafür tut, das Schöne zu zerstören und zu beweisen, das es Beziehungen gar nicht geben kann. Wenn dann als zerstört ist, ist die Welt wieder wie gewohnt - die befürchtete Erwartung bestätigt.
Beide Seiten existieren, diese Gefühlspalette ist leider nur zu real.

Das sind Muster - Bindungsangst wirklich aufzulösen, verlangt Erkenntnis, Veränderungswillen und ganz viel intensive Arbeit an einem selbst.
Die Wurzel dafür ist sehr oft ganz tief in der Kindheit, und sehr gut in einem verborgen.
Sehr oft gelingt die Auflösung nur mit professioneller Unterstützung. Manchmal nie.

Für Außenstehende als Leidtragende sind diese inneren Kämpfe oft nicht nachvollziehbar, und nicht aushaltbar.
Deine Freundin arbeitet daran, aber ob Du damit zurechtkommst - Du hast ja Deine berechtigten Grenzen, der Selbstschutz geht vor.
 
G

Ga_ui

Gast
  • #12
Ich denke, die Frau passt absolut nicht zu dir, weil du irgendwas verstehen willst, was du nicht kannst und sie zu etwas bringen willst, das sie nicht braucht.

Was sie hat, ist eine Art Affäre. Aufgrund der Distanz sieht man sich eben nicht oft, aber genießt dann die Sexzeit miteinander. Sie war so offen, dir davon zu berichten. Sie würde sich auch weiterhin mit dieser Affäre treffen, auch wenn ihr zusammen wärt. Affären dieser Art können gut Jahzehnte überdauern. Aufgrund der Distanz ist es immer wieder neu und spannend. Selbstverständlich hat jeder daneben auch noch das Recht, feste Partnerschaften zu führen. Mit dieser Frau würdest du also eine Dreierbeziehung führen.

Das Wort Beziehungsangst gibt es nicht und wurde von Menschen erfunden, die es nicht ertragen können, wenn ein Mensch mehr Freiheit und Distanz genießt, als der Gegenüber von ihm möchte. Warum sollte SIE sich ändern? Ändere du dich, das ist viel wichtiger!

Jeder Mensch hat andere Nähebedürfnisse, und das ist nicht schlimm. Und gerade wenn man so eine Fernbeziehung führt, muss man sich an andere Umstände gewöhnen, die nichts im herkömmlichen Sinne einer Beziehung mehr zu tun haben. Für Leute, die das noch nicht erlebt haben, ist das zu hoch und zu wider!

Es ist dann auch schwer, wieder in ein normales Konstrukt der Beziehung zurückzufinden und das toll zu finden.
Es wäre ja wieder ein Schritt rückwärts aus seiner Befreiung. Das will keiner. Erst recht nicht mehr mit Mitte 30.

So eine Art Beziehung zu führen, wie die Dame das tut, erfordert viel Offenheit, Weitsicht, Akzeptanz, Toleranz, Unverklemmtheit. Etwas, das 90 % aller Menschen schlichtweg nicht haben meiner Beobachtung nach.
 
  • #13
Beziehungsangst: Die davon Betroffenen haben Angst, dass die Beziehung zum "Gefängnis" wird. Das der Partner/in tägliche Ansprüche stellt, die man als Belastung empfindet.
(Evtl. bereits solche Erfahrungen gemacht)

Aber es gibt auch andere Paare, die sowas auch praktizieren, aber nicht als Belastung oder gar "Gefängnis" empfinden.

Anfangs in Beziehungen die große, aufregende Verliebtheit. Die sich nach sechs Monaten in eine Liebe absetzt und verfestigt.
Wer da nur alle 9 Monate zusammen kommt, der will wohl immer nur den Rausch der Verliebtheit erleben ? Vgl. wie eine "Droge" ?

Ich frage mich, was die andere Frau davon hat, wenn sie nur alle 9 Monate zusammen sind ?

Frauenpaare schätze ich als emotional besonders intensiv. Aber auch mit hohem, emotionalen Risiko. Vielleicht hat diese beziehungsängstliche Frau Angst vor großen Emotionen und deren Risiken ? Sich selbst gegenüber, und gegenüber den Anderen ?

Eine Beziehung ist auch eine eine beiderseitige Weiterentwicklung. Damit sich die Beziehung und ggf. Liebe verfestigt, um damit auch belastbarer zu werden, z.B. für den Alltag. Aber mit dieser Frau scheint das nicht möglich zu sein, weil sie dann flieht ?
(m,54)
 
  • #14
Beziehung ist nicht nur Verliebtheit, Emotionen, die "Schmetterlinge im Bauch", usw.

Sondern auch, dass man die Partnerin z.B. morgends/abends/etc. ungeschminkt mit schlechter Laune ertragen muß. Oder die Partnerin etwas alleine unternehmen will. Oder mal nicht feste Rituale einhalten will, wie z.B. gemeinsames Mittagessen.

Oder man etwas gemeinsam unternimmt, aber für die Eine nur "der Partnerin zuliebe" Bis hin zum gemeinsamen Urlaub möglich. z.B. Eine will ans Meer, die Andere lieber woanders hin. Beide wollen aber gemeinsam Urlaub machen.

Manche wollen diesen "Problemen" aus dem Weg gehen, in dem sie keine feste Beziehung eingehen wollen. Sondern nur dann zusammen kommen, wenn Beide gerade Lust darauf haben.
Aber bezeichnen dies als "die Liebe frisch halten" Aber sie übersehen dabei, dass deren Liebe sich nicht weiter entwickeln kann. Vgl. wie ein Baum, dem man immer wieder die Wurzeln kappt -> Bonsai.

Dabei schaut die unfreiwillig "Gekappte" evtl. auf andere Paare.
"So groß könnte unsere Liebe und Beziehung auch sein. Wenn sie nicht ständig "gekappt" würde"

Entweder die FS überzeugt diese Beziehungsängstliche, dass es sich lohnt, sich gemeinsam weiter zu entwickeln. Oder sie sucht sich eine andere Partnerin, womit sie das ganze Spektrum erleben darf. Weil sich Beide weiter entwickeln wollen.

Liebe ist: Sich in allen Situationen zu lieben. Auch wenn es gerade nicht himmlisch ist.
(m,54 - ja, ich bin wirklich ein Mann)
 
  • #15
Bindungsphobien sind viel mehr als einfach nur "ich geh den unschönen Dingen einer Beziehung aus dem Weg" oder man gar behauptet, diese Angsterkrankung sei eingebildet. Liegt mEn nach daran, dass Menschen die es nicht kennen, weder von sich selbst noch damit direkt konfrontiert waren, nicht wissen wovon sie sprechen. Das verschwindet nicht oder wird besser in dem es negiert wird.
 
  • #16
Lieber FS,

manchmal können *Menschenskinder* Gutes einfach nicht ertragen.
Oft ist damit Angst gekoppelt, das Glück wieder zu verlieren. Das mag auch vielleicht eine Erklärung für ihre Beziehung zu einer Frau sein. Das fühlt sich wie Familie an, die Bestand hat und nicht zerrüttbar ist. Ängste können so tief und verkapselt im Unterbewußtsein sitzen, dass eine normal Therapie meistens auch erfolgslos bleibt.
 
  • #17
Beziehung setzt substanziellstes Urvertrauen voraus. Ein Säugling bzw. Kleinkind und Kind, das ständig negative Erfahrungen in Bezug auf seine Bezugspersonen, Ursprungsfamilie machen musste, erlebt einen fundamentalen Einbruch, elementare Existenzängste. Denn ein Menschenkind ist von der Natur so programmiert, den Schutz der Eltern zu suchen, das dient dem Überleben.

Meine Eltern haben mich und meinen Bruder für ein halbes Jahr zu meiner Tante gebracht, als ich drei Jahre alt war. Dort hatten wir es im Prinzip gut. Aber es hat einen enormen Schaden angerichtet. Ganz tief kann ich mich auf andere Menschen nicht einlassen oder es bringt mich zur Verzweiflung. Meine Intelligenz und meine Selbstreflexion haben mir bei der Bewältigung dieses Themas bislang leider nicht geholfen. Ich kann es verstehen. Aber leider nur sehr schwer ändern. Geblieben ist wohl die Angst, erneut verlassen zu werden und eine unheimliche Angst davor. Warum eigentlich? Da spielen in uns wohl Urzeitprogramme eine Rolle. Das Individuum soll die Nähe anderer suchen, da dadurch sein Überleben besser gewährleistet ist. Wurde es zu oft enttäuscht, ist es nicht mehr adäquat in der Lage, sich auf andere Menschen in einer gesunden Form einzulassen.

Wenn Du kannst, dann schau mal nach, was bei ihr schief gelaufen sein könnte. Aber bedenke, dass Familien nach aussen oft tadellos aussehen. Das tut meine übrigens auch.
 
  • #18
Ich finde es wichtig, dass man bei diesem Thema verschiedene Kategorien nicht durcheinander bringt:
1. bindungsUNWILLIG, wobei es NICHT von Bedeutung ist, ob aus einer Bindungsangst oder aus einem zeitweisen oder dauerhaften Freiheits- und Unabhängigkeitsbedürfnis heraus; hierbei muss man noch zwischen offener und versteckter Bindungsunwilligkeit unterscheiden:
Bei offen gelebter Bindungsunwilligkeit ist derjenige überzeugter Single und sucht höchstens ganz offen nur nach "Freundschaften Plus" bzw. Sexbeziehungen oder ONS.
Bei versteckter Bindungsunwilligkeit werden Beziehungsabsichten bewusst vorgetäuscht und Gefühle geheuchelt (von Männern aber auch von Frauen), um ein bestimmtes Ziel zu erreichen (Stichworte: Sex, Geld, Heiratsschwindler, Bezness, Romance Scammer).

2. bindungswillig aber gleichzeitig bindungsängstlich: daraus entsteht ambivalentes Verhalten (komm her - geh weg), innere Zerrissenheit, intensive Gefühle gefolgt vom plötzlichen Gefühlsschwund (sehr gut beschrieben in den Büchern von Stefanie Stahl zur Bindungsangst), Distanz-Beziehungen/-Ehen ohne tiefe Nähe; auf jeden Fall ein ewiges JEIN in allen Variationen;

3. bindungswillig und bindungssicher bzw. bindungsfähig: beste Voraussetzungen für stabile, harmonische Beziehungen mit grosser Innigkeit, Intimität und gefühlsmässiger Tiefe und Verbundenheit bei gleichzeitiger Freiwilligkeit ohne Abhängigkeit.

Nach deiner Beschreibung, liebe FS, ist diese Frau eine typische Vertreterin der Kategorie 2, sie ist zwar bindungswillig, aber gleichzeitig bindungsängstlich und deshalb so ambivalent in ihrem Verhalten.

w 51
 
  • #19
Ist ja eigentlich ganz einfach. Sie hat sich da ein Beziehungskonstrukt geschaffen, was ihr als "Basis" dient und funktioniert. Jetzt soll sie das aufgeben zugunsten einer ungewissen Beziehungserfahrung...erneutes Rumgewurschtel zwischen Nähe und Distanz mit ungewissem Ausgang. Sie muss ihre gesamte Persönlichkeit neu in die Waagschale werfen, auf Gedeih und Verderb. Mag sein, sie bekennt sich zu Dir und nen halbes Jahr später bist Du das hin und her was bei Beziehungsängstlichen unausweichlich ist leid und schiesst sie ab. Warum sollte sie dieses Risiko auf sich nehmen? Da ist der Wille nach Weiterentwicklung doch schnell sekundär. Und warum sie jetzt in den Singleportalen so aktiv ist...vielleicht hat sie Blut geleckt? Hat die Idee von einer erstrebenswerten, nahen Beziehung bekommen und möchte das Gefühl auskosten, wenn auch nicht mit dir, da gefährlich?!
 
  • #20
Rational kann ich es ja auch verstehen, aber irgendwie kommt es bei mir im Herz noch nicht so recht an.

Diese andere Frau in dem anderen Land hat selbst noch eine whatever Sache mit einem Typen, der in einer Beziehung mit wem anders ist. Klingt alles ziemlich schräg, finde ich (haben sich wohl alle gefunden).

„Meine“ hatte auch mehrere Jahre lang eine Dynamik mit ihrer besten hetero Freundin, vielleicht wird das alles jetzt nur noch reproduziert, denn diese „andere“ wirkt schon sehr hetero. Es reißt sie nur in diese Struktur, wenn die andere sich meldet. Ansonsten Zitat: „aus den Augen, aus dem Sinn“.

Ihre große Leidenschaft ist ja das Theater – im Großen und Ganzen scheint sie sich in eine kleine Traumwelt zu flüchten und hat dann 3 Monate im Jahr diese Droge mit der anderen. Im Grunde ist es auch nicht verwunderlich, dass sie vor mir wegrennt: ich habe ihr komplett den Spiegel vorgehalten und sie meinte selbst, sie möchte über gewisse Dinge nicht nachdenken und vermisst ihre ach so geliebte Leichtigkeit. Glaub, ihr Problem ist, dass Beziehung auch Auseinandersetzung bedeutet und nicht nur lala, wenn man mal Lust auf Nähe hat. Natürlich frage ich mich, wenn ich weniger pushy gewesen wäre, ob es dann anders gelaufen wäre – wobei für mich eine Dreierkonstellation wirklich ein „no-go“ ist. Ihre Distanz durch Sport und Kultur war ja von vornerein ziemlich ausgeprägt – ich musste betonen, dass 2x Woche treffen ja schon toll wäre…Wenn man wirklich Nähe zulassen kann, dann sucht man diese doch auch, oder?

Meine Heilpraktikerin meinte, sie reproduziert das Verhältnis zu ihrem Vater, den sie nie wirklich zu greifen bekommen hat (inkl. Scheidung). Wenn ich mir das alles vor Augen halte, habe ich das Gefühl, dass sowas zu tief verankert ist, als dass man bewusst daran arbeiten kann, oder was meint ihr?

Übrigens meinte sie ja immer, dass sie sich weiterentwickeln will, aber so richtig gespürt hatte ich es nicht…ich bin halt komplett das andere Naturell – Auseinandersetzung zu 100% mit mir selbst, vielleicht war es auch das, was sie angezogen hat…weil sie nicht die Kraft dazu hat…kann gut sein, dass sie Angst hat, wieder das Glück zu verlieren – sie hat mir gegenüber auch mal diesen Satz gebracht, dass sie alles mit mir emotional komplett überfordert und es ihr leid tut, wenn sie mir mal Stöcke zwischen die Beine schmeißt, aber sie vorher sowas noch nicht hatte, wie mit mir…ihre Unsicherheit, weil sie den Haken nicht fand, war sehr stark ausgeprägt…
 
  • #21
Du bist bei ihr, nicht bei dir.
Tatsache, sie will und kann nicht, ob das nun wegen ihrem Vater ist,
Oder sonstwas.
Frage dich, warum du dir jemand aussuchst, die keine Nähe zulassen kann
 
R

rosenmann

Gast
  • #22
Leichtigkeit ist das Stichwort und was du da mit ihr hast ist so ziemlich das Gegenteil davon.

Merke, eine Beziehung, die schon als Krampf losgeht, ist es nicht Wert. Wenn es nicht flutscht lass es sein, es wird nicht mehr besser.
 
  • #23
Frage dich, warum du dir jemand aussuchst, die keine Nähe zulassen kann
Das ist eine gute Frage, liebe FS. Um Antworten darauf zu finden, und auch aufgrund deiner Frage hier:
Wenn ich mir das alles vor Augen halte, habe ich das Gefühl, dass sowas zu tief verankert ist, als dass man bewusst daran arbeiten kann, oder was meint ihr?
möchte ich dir ganz speziell das Buch "Vom Jein zum Ja! - Bindungsangst verstehen und lösen. Hilfe für Betroffene und ihre Partner" von Stefanie Stahl empfehlen. Das Lesen und Durcharbeiten, auch die verschiedenen Übungen darin, wie z.B. das Finden der eigenen Glaubenssätze, wird dich sicher weiterbringen und dir viele Fragen beantworten. Dann kannst du entscheiden, ob du dieses Buch auch dieser Frau empfehlen möchtest; wobei ich aufgrund deiner Beschreibungen von ihr eher davon ausgehe, dass sie sich doch nicht so tief mit sich selbst auseinandersetzen möchte. Ihr Leidensdruck ist einfach nicht gross genug, und sie hat sich mit ihrem Lebensmodell gut arrangiert, wie es bei ganz vielen Bindungsängstlichen der Fall ist - aber ein Versuch wäre es wert. Viele Erkenntnisse wünsche ich dir!

w 51
 
  • #24
Hallo,
vielen Dank für Euer Feedback.
Im Grunde hatte ich ein nicht greifbares Gefühl von Anfang an, aber irgendwie ließ ich mich von ihr überzeugen, dass sich Menschen auch ändern können und wollte sie nicht verurteilen.
Sie hatte ja ganz klar gesagt, dass sie Zeit braucht für das Kennenlernen...Aber irgendwie ist auch meine Meinung, man sollte zunächst mit seinen Altlasten aufräumen, bevor man sich auf etwas Neues einläßt. Im Endeffekt war sie sich auch nicht sicher, ob sie wirklich eine verbindliche Verbindung will.
Trotzdem befürchte ich, dass ich sie viel zu sehr gedrängt habe, sich entscheiden zu müssen und ihr nicht die Zeit gegeben habe...aber die andere sieht sie (wenn überhaupt) erst Ende des Sommers und da hatte ich Angst, dass sie sich, wenn ich schon viel tiefer in den Emotionen drin stecke, sich auf einmal doch für die andere entscheidet...da kamen dann meine Verlustängste durch...
 
  • #25
Irgendwie ist es immer gleich. Die Fragen über die vermeintliche "BIndungsangst" reissen nicht ab.
Fakt ist: Bindungsangst ist gleich mit " ich könnte aber ich will nicht".
Sicherlich hat es etwas mit einem persönlichen Defizit" bzw. einem charakterlichen Defizit zu tun. Menschen mit Bindungsangst hatten eine schlechte Kindheit, ein böses Erlebnis in der Partnerschaft oder was auch immer. Es rechtfertigt jedoch nicht das Leid das sie verursachen in vorgetäuschten Liebesäusserungen, ihrer Suche nach Nähe und das darauf folgende Wegstossen wenn der/die Betroffene keine Lust mehr auf den anderen verspüren. Es bereitet ihnen keinerlei Schwierigkeiten andere Menschen zu benutzen und zu betrügen.
Sieht man sich mit einem "bindungsängtlichen" konfrontiert ist die einzige Antwort: sofortiger Kontaktabbruch - und allzeitliches Ignorieren der Person - das Leid das sie verursachen ist durch nichts zu rechtfertigen und sollte an sie zurückgegeben warden.
 
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