Lieber Fragesteller! Ganz ehrlich: Die Titelfrage passt überhaupt nicht zum Erklärungstext. Ganz im Gegenteil nimmst Du im Erklärungstext letztlich die Dir passende Antwort für ein viel komplexeres Thema voraus, ohne dem Forum wirklich die Chance zu geben, die eigene Analyse Eures partnerschaftlichen Problems anzufertigen. Daher eine komplett zweigeteilte Antwort:
A) Ist Egoismus ein Zeichen von mangelndem Selbstvertrauen? -- Nein, ganz und gar nicht! Es gibt natürlich verschiedene Formen und Ursachen von Egoismus, aber mangelndes Selbstvertrauen ist, wenn überhaupt, nur ganz selten ein Grund für Egoismus. Ganz im Gegenteil gibt es sehr viele Egoisten, die sich maßlos überschätzen, und es zeichnet gerade Egoisten aus, sich selbst in den Mittelpunkt nicht nur ihres Handelns zu stellen, sondern auch ihres Denkens. Egoismus meint im Kern eine Charaktereinstellung, die von Rücksichtslosigkeit und Eigennutz definiert ist, und damit ein Verhalten, das stets den eigenen Vorteil im Auge hat, und das insbesondere mehr als es Gerechtigkeit, Fairness, Anstand, Partner- und Familiensinn, übliche Hilfbereitschaft oder allgemeine Umgangsformen erfordern würden.
Zweitens hat auch das Themenfeld Dominanz/Subordination im partnerschaftlichen Gefüge (also wer "das Sagen hat" vs. wer sich eher unterordnet) nur wenig mit Egoismus zu tun. Für den Laien mag es gewisse Parallelen zwischen dominantem Verhalten und egoistischen Motiven geben, aber der psychologische Ursprung ist regelhaft ein anderer. Dominanz hat mit Entscheidungsfreude, Führungsqualität, aber auch mit der Fähigkeit, sich unterzuordnen, sich etwas sagen zu lassen oder umgekehrt aufzubegehren, sich durchzusetzen, anzuweisen zu tun.
Wer von Natur aus gerne eine untergeordnete Rolle einnimmt, leidet auch nicht darunter, dass der Partner entscheidet und sagt, wo es langgeht. Er genießt es, sich geborgen und beschützt, angeleitet und an die Hand genommen zu fühlen. Das ist keineswegs eine schlechte Charaktereigenschaft, sondern zeugt auch von der Fähigkeit zu Vertrauen und Hingabe. Entscheidungen zu fällen, die auch andere betreffen und mit denen man auch falsch liegen kann, demzzfolge Verantwortung zu übernehmen und sich zu verteidigen, zu rechtfertigen, zu kämpfen liegt diesem Typus weniger.
Umgekehrt verhält sich dominantes Verhalten: Dieser Typus mag es nicht, wenn andere für ihn Entscheidungen fällen, gar über ihn entscheiden, ihm Anweisungen geben oder er sich fremden Willen beugen muss. Er fühlt sich dagegen meist wohl dabei, selbst Entscheidungen zu treffen, Verantwortung zu tragen und seine Meinung auch gegen andere zu vertreten.
Man kann sich leicht vorstellen, dass beide Charaketere sich trefflich komplementieren, aber miteinander jeweils schlecht auskommen. Zwei Unterordnende haben es verdammt langweilig und zäh miteinander, zwei Dominante fechten zu viele Kämpfe aus. Ideal ist es aus partnerschaftlicher Sicht, wenn ein mäßig Dominanter auf einen mäßig Unterordnenden trifft. Die Typen sind erstaunlicherweise über beide Geschlechter ziemlich frei verteilt, so dass diese Konstellation oft möglich wäre, wenn man nur den passenden Partner finden würde.
B) Woran liegen Eure Probleme? -- Bei Euch treffen einfach zwei ziemlich dominante Charaktere aufeinander. Das Fatale bei dieser Konstellation ist, dass es sich zu Beginn einer Partnerschaft oft sehr attraktiv anfühlt: Die Verliebtheit lässt einen rosa-rot über einiges hinwegsehen und macht Versöhnungen leichter, verhindert gegenseitige verbale Verletzungen weitestgehend. Wenn diese Phase jedoch vorbei ist, wird eine dominant-dominante Beziehung jedoch vorallem durch Diskussionen und Zank, durch Machtspiele, Kampf und den Versuch, Oberhand zu gewinnen, bestimmt. Das geht meistens nicht lange gut, es sei denn, die Liebe ist ganz besonders innig und alle anderen Bereiche harmonieren dermaßen gut, dass diese Reibereien gut gehen und keine wesentlichen Aspekte betreffen.
Aber sei versichert, dass ähnliche Bildung und Intelligenz, ähnliche Qualifikation und Verdienst, absolut gar nichts mit der Charakterausprägung Dominanz zu tun haben. Du darfst aus diesen Aspekten Eurer Augenhöhe nicht schließen, dass Augenhöhe prinzipiell schlecht wäre. Im Gegenteil ist Augenhöhe in diesen Bereichen wahrscheinlich das, was Euch überhaupt noch zusammenhält.