Insofern hat das Reden über Treue tatsächlich etwas Spießiges, denn es ersetzt die persönliche Freiheit des Willens (der allein dem Charakter unterworfen ist) durch eine Absprache. (m)
Nicht jedes Gespräch ist "Absprache" - Gespräche, um Einblick in die Gefühlswelt des Anderen zu bekommen, sind es definitiv nicht.
Zur Frage der Frau, die hier dafür plädiert, nur bei entsprechender Lust einem potentiellen Partner die Wahrheit zu sagen (Post 57, 63 etc.), ob denn jene "so Unegoistischen", die an Treue, Offenheit und frühzeitiger Ehrlichkeit festhielten, sich auch die Gefühle der anders Tickenden verstehen könnten?
Natürlich, und es schwankt bei mir zwischen Mitleid (und zwar nicht abwertend gemeint) und Abscheu.
Im Thread über die Bindungsstörung hab ich ja schon erzählt, welche Ausflüchte solche Menschen nehmen, um sich nicht selbst als Lügner und mehrfach gescheitert sehen zu müssen. Ich war sehr motiviert, einem Mann, der versteckt polyamor handelt, die Hintergründe zu erklären, aus der Sympathie heraus, die übrigbleibt, wenn eine ehrliche Liebe an Unkompatibilität platzt.
Anders fühle ich Leuten gegenüber, die bewusst unehrlich taktieren. Aber als "Opfer" fühlten sich eher die Männer, denen ich absagte, wenn sie sich nach dem ersten Treffen weiter einloggten, obwohl sie mir bereits sonst was erzählten, am Telefon und im Direktkontakt. Was diese Männer nicht verstanden: Eingleisig kann man schneller intensiver fahren. Wenn es wirklich funkt, und man in Bezug auf Exclusivität ähnlich fühlt, spürt das der andere.
Schnelligkeit und Intensität lassen sich mit Verbindlichkeit viel klarer umsetzen.
Diese halbgare Mehrfachabsicherung finde ich viel unspannender. Für mich Grund genug, jemanden zu suchen, der ähnlich empfindet.
Im Prinzip sind es einfach unterschiedliche Konzepte:
Der FS sprach das Tangotanzen an: Das ist ein gutes Bild! Für mich ist das Leben
mehr als ein gemeinsamer Tango (obwohl ich ihn gern tanze!), bei dem man sich den nächsten Partner sucht, wenn
ein Partner sich nicht gut gibt und ein neuer zur Verfügung steht, wird es einen Wechseln geben.
Aber gerade aus der Poly-Szene kenne ich diese Haltung inzwischen. Was diese Menschen übersehen, ist ihr Grad an eigener Selbstüberschätzung: Man kann zu mehreren Menschen nicht gleich intensiv sein, rein zeitlich nicht.
Dass auf so begründete Zurückweisung unglaublich viel Energie in wütende Abschiedsbrife gesteckt wird, deutet auch darauf, dass die Selbstbestätigung durch Mehrgleisigkeit
eher Absicherung ist oder das Ego pushen soll, als Ausdruck ehrlicher Zuneigung und vielfältigem Sicheinlassenkönnen.
Zitat Gast 109: Das ist wieder eine Suche nach Sicherheit
Anonymität und Unverbindlichkeit scheinen Manchen auch Sicherheit zu geben.
Ich empfinde Sicherheit in einer Liebesbeziehung dann, wenn mit mir der Partner aus freiem Willen und ganzem Herzen sein ganzes Leben teilen will, in guten und schlechten Tagen.