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  • #1

Liebe und gegensätzlicher Charakter

Habt Ihr schon mal jemanden geliebt oder gar eine Beziehung mit einer Person geführt, die charakterlich sehr unterschiedlich war?

Ich hatte neulich so eine Begegnung, bei der es neben körperlicher Anziehung und grundsätzlicher Sympathie auch eine gemeinsame Leidenschaft (Hobby) gab, aber es wurden auch große Unterschiede deutlich: z.B. redete er gerne pausenlos, während ich auch mal gerne gemeinsam schweige. Er vertrat polarisierende, fast provokativ klare Positionen, während ich von Natur aus eher den Konsens suche. Er konnte die Masse mit Smalltalk in seinen Bann ziehen, ich bin eher die Frau für tiefsinnige, vertrauensvolle Gespräche.
Nicht zuletzt: Er wollte mich jeden Tag sehen, mir würde es am Wochenende reichen.

Auch wenn ich manchmal an meine Grenzen kam, fand ich diese Begegnung für mich völlig spannend und herausfordernd. Ich wäre bereit gewesen, diese Beziehung zu führen. Auch wenn es nach ein paar Monaten schief gegangen wäre, hätte ich doch in der Zeit enorm viel erlebt und gelernt.
Er sah die Unterschiede wohl als zu gravierend an und verabschiedete sich nach einigen Dates, wen wundert´s... :O

Wie viele und welche Unterschiede könnt Ihr an Euren Partnern tolerieren oder liebt sie sogar ganz besonders?
 
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  • #2
Jein. Ich verliebe mich jedenfalls nicht in einen gänzlich gegensätzlichen Charakter. Vielleicht meinst Du das aber auch gar nicht so.

Ich verliebe mich aber durchaus in einen Menschen, der grundsätzlich denselben Charakter hat, dieselben Ideale hat, auf derselben Wellenlänge liegt, bei dem ich fast schon eine Art Seelenverwandtschaft verspüre, der sein Wesen in bestimmten Punkten aber anders als ich nach außen transportiert.

Ich bin z.B. ein sehr emotionaler und auch romantischer Mensch, treffe meine Entscheidungen aber nicht auf Basis meiner Gefühle, sondern eher rational. Es kommt jetzt nicht selten vor, dass ich mich in jemanden verliebe bzw. zu jemandem hingezogen fühle, der grundsätzlich genauso romantisch veranlagt ist wie ich, der seine Entscheidungen im Gegensatz zu mir aber eher mit dem Herz statt mit dem Kopf trifft.

Weiteres Beispiel: Tief im inneren bin ich ein ziemlich verrückter, lebensfroher Mensch. Diese Seite zeige ich nach außen aber den wenigsten, sondern bin eher der ruhige, nachdenkliche Typ. Angezogen fühle ich mich i.d.R. aber von Menschen, bei denen das genau umgekehrt ist: Nach außen "verrückt", im Inneren aber genauso nachdenklich und "tief" wie ich.

Warum ich mich zu solchen Gegensätzen hingezogen fühle? Ich denke, es ergibt sich da einfach eine sehr spannende, für eine dauerhafte Beziehung wichtige Dynamik. Man ist sich in wesentlichen Punkten extrem ähnlich, ist zugleich aber auch sehr unterschiedlich.

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  • #3
Das, was du beschreibst, habe ich so ähnlich erlebt, allerdings war ich in der Position deines Partners. Zu Beginn fand ich das, was du als "Tiefgang" und "Zurückhaltung" beschreibst noch sehr reizvoll, aber auf Dauer war es mir auch zu anstrengend. Mir hat die Leichtigkeit mit diesem Menschen gefehlt und ich habe auch nicht die Energie dauernd tiefgründige Gespräche zu führen. Dazu kam auch noch, wie bei euch, dass ich ein größeres Nähebedürfnis hatte. Letzteres ist eben schlecht für eine Beziehung, wenn die Partner da ganz anders ticken.
Außerdem war er sehr wehleidig und hatte ständig irgend etwas, was dann auch gemeinsame Unternehmungen schwierig machten. Wirklich vorbei war es für mich schließlich als er das erste Mal mit zu gemeinsamen Freunden ging, sich extremst unkommunikativ verhielt und an allem rummäkelte.
Mir war das insgesamt viel zu anstrengend.
Es gibt aber durchaus die Variante mit einem ruhigen Partner zusammen zu sein, der aber bspw. ein ähnliches Nähebedürfnis hat und auch sonst in den meisten Fällen sozial verträglich ist. Schwierig ist es eben nur dann, wenn einfach zuviel zusammen kommt.
 
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LilaLaunebär

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  • #4
Ich (w, 30) hatte fast 9 Jahre eine Beziehung zu einem Mann, der einen komplett anderen Charakter und ganz andere Ansichten hatte als ich. Es ging schief.

Wir hatten uns mit Anfang 20 kennen gelernt und kamen schnell zusammen. Wir hatten damals noch gleiche Interessen (Party + Spaß) und es funkte einfach. Die Beziehung wurde intensiver, wir zogen zusammen und fingen an, über die Zukunft nachzudenken. Mit Ende 20 standen wir dann da und merkten, dass wir uns in total verschiedene Richtungen entwickelt hatten. Ich wollte Familie, Kinder, Haus, Garten, Hund - kurz ein idyllisches Familienleben auf dem Land. Er wollte Karriere machen, reisen, frei sein. Hinzu kam, dass wir vom zwischenmenschlichen Bereich bis hin zur Politik nirgends gleiche Ansichten hatten.
Schließlich trennte er sich, weil wir "einfach zu verschieden" seien. Mittlerweile weiß ich, dass es das Richtige war. So ist das, wenn man zu verschieden ist. Man betritt zusammen den Weg, aber irgendwann nimmt man unterschiedliche Abzweigungen, bis man schließlich so weit voneinander entfernt ist, dass man sich nicht mehr sieht.
Deshalb achte ich heute sehr darauf, welche Ansichten und welchen Plan vom Leben ein potentieller Partner hat.
 
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  • #5
Liebe FS

ich nehme an ( es ist nur eine Vermutung) Frauen sind nachgiebiger, grosszügiger und lassen den anderen sein. Männer nervt es wenn du als Frau zuviel das Wort führst. Überhaupt in Führung gehst, unbewusst, weil du es sonst immer so machen musst.

In Maßen ist eine gewisse Reibung der Charaktere viel interessanter als die perfekte Harmonie in allen Lebensfragen. Nur Goldfische schwimmen immer stumm in dieselbe Richtung. Bei Menschen gibt es in jeder nur denkbaren Beziehung auch mal Störungen. Zwischen Geschwistern. Eltern-Kinder, usw. Totale Harmonie hast du nur im Grab.
 
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  • #6
Nein, das wird, je nach gegensätzlicher Ausprägung, auf Dauer nicht funktionieren.

Du hast Deinen Partner für seine Geselligkeit bewundert und wärest gern etwas mehr wie er, richtig? Hast ihn für seinen großen Bekanntenkreis bewundert, stimmt´s? Und gehofft, dass davon etwas auf dich abfärbt, er dich mitreißt und Du so auch etwas offener wirst? Das entnehme ich deiner "Lern"-Absicht. Das ist aber wirklich nur sehr begrenzt möglich. Es ist eine Frage des Charakters, der sich kaum komplett umkrempeln lässt.

Außerdem scheinst Du Deine Introvertiertheit irgendwie als Schwäche zu empfinden. Verständlich, weil ja heute die "Netzwerker" und "Verkäufertypen" so gefragt sind. Ist sie aber nicht. Denn die Introvertierten sind meist auch die sensibleren Menschen. Was zu einem weiteren Konfliktpunkt führt. Dein Partner hat wahrscheinl. auch viele weibliche Bewunderinnen und Bekanntschaften. Seine Smalltalkfähigkeit macht Eindruck und sorgt für Eifersüchteleien, richtig? Obwohl hinter den Kontakten meist gar kein weiteres (persönliches) Interesse steckt und der Partner sich nix dabei denkt, macht es Dich kirre. Du fragst Dich, warum er jetzt auch noch die Telefonnummer von Dame xy eingesacken musste. Denn introvertierte Menschen sind in Ihrer Kontaktwahl meist weitaus wählerischer.

Zudem gerät man dauernd in Zugzwang, es dem anderen gleich tun zu wollen. Und endlich aus sich rauszukommen. Was eine sehr energieraubende Angelegenheit ist, weil es wiederum nicht Deinem Naturell entspricht.

Ich nehme selbst inzwischen auch von diesen "Plappermäulern", im Extremfall "Attention Seekern" Abstand, weil sie (und die ständige Unruhe) einfach nicht gesund für mich sind ist. Konzentriere mich lieber auf Partner, mit denen ich wortlos einen langen Sonnenuntergang genießen kann, ohne dass nach 2 Min. ein ".... und was machen wir jetzt?" kommen muss. Denn dieses wortlose, blinde Verständnis, bei dem häufig nur ein Anlächeln reicht, um zu wissen, was der andere denkt., ist einfach das Größte.

Du bist anders. Und benötigst entsprechend etwas anderes. Sieh es nicht als Schwäche an. Dein Ex hat Deine intensive Tiefe einfach nicht erkennen und verstehen können, weil er anders tickt. Ihm kommt sie langweilig vor. Aber das ist halt seine Schwäche. Leider sind die Introvertierten halt schwer zu finden, weil sie eben introvertiert sind :)

So viel zu meiner hobbypsychologischen Selbstanalyse.
Eventuell noch ein gutes Buch für Dich:
"Still: Die Kraft der Introvertierten" von Susan Cain

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  • #7
Ich (w) führe seit knapp 3 Jahren eine Beziehung mit einem Mann, obwohl wir in den meisten Gesichtspunkten völlig unterschiedlich sind.
Hier einige Beispiele: ich bin mehr der Typ für intensive, tiefgründige Gespräche (so wie Sie), während er, ebenfalls wie Ihr Date, lieber Smalltalk führt. Ich spreche gerne Probleme an und versuche diese zu lösen, er staut alles auf. Und so weiter.
Der größte Unterschied zwischen uns ist aber, dass ich ein Zukunftsmensch bin, ich will vorsorgen und planen, er hingegen will sein Leben jetzt auch genießen.
Ich muss aber auch sagen, dass genau diese Unterschiede den Anderen ergänzen. Bevor ich ihn traf war mein Leben irgendwie trostlos, doch nun "zwingt" er mich das Hier und Jetzt ebenso zu genießen und ich bringe ihn dazu auch an die Zukunft zu denken. So halten wir uns gegenseitig im Gleichgewicht.

Daher glaube ich, dass die Unterschiede egal sind, solange man sich in den wichtigen Punkten einig ist: Familie gründen oder nicht, Karriere, etc.
 
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  • #8
Hallo,

ich fürchte, eine Lösung habe ich nicht parat. Aber seit ein paar Monaten eine ähnliche Erfahrung. Ich bin eher skeptisch bis zynisch, liebe schwarzen Humor, brauche mal meine Auszeit, in der ich vor mich hinwurschtele. Er ist ein totaler Optimist, Lebenskünstler und aktiver als ich. Er will täglich Kontakt, ich kann auch mal einen oder zwei Tage Pause haben. Kurz und gut, emotional ist es wegen der unterschiedlichen Charakter wirklich spannend, weil man sich vor so einer gegensätzlichen "Folie" noch mal ganz anders und viel deutlicher selbst wahrnimmt, was auch er so sieht. Auf der anderen Seite finde ich es anstrengend, gerade wegen der unterschiedlichen Kontaktbedürfnisse, die mir, glaube ich, manchmal als weniger Gefühle ausgelegt werden. Ich weiß nicht, wie es langfristig weitergeht, mir bereitet es zurzeit ziemliche Kopfzerbrechen. Werde hier weiter mitlesen, vielleicht inspiriert es.
 
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