• #1

Moralische Diskrepanzen lösen durch Lügen -- auch wenn ihr eigentlich verachtet werdet?

Mich wundert hier immer wieder, dass manche Menschen offensichtlich damit leben können, von ihrem Partner zutiefst verachtet zu werden, solange dies nicht persönlich ausgesprochen wird. Was verbessert die Lüge? Könntet Ihr damit leben, dass ein Partner Euch und Euer früheres Verhalten abgrundtief verachtet -- aber weil er es eben nicht weiß, ist alles in bester Ordnung? Ist das nicht Selbstbetrug? Warum steht man nicht zu seinem Verhalten und seinen eigenen Moralvorstellungen und sucht sich einen Partner, der mit einem moralisch harmoniert?
 
  • #2
Beispiel 1: Eine Frau hat früher mal eine Schwangerschaft abgebrochen. Ihr neuer Partner verurteilt und verachtet Abtreibung aufs Schärfste. Sie erzählt ihm nicht, dass sie auch abgebrochen hat, weiß aber, dass ihr Partner sie dann verachten würde.

Beispiel 2: Eine Frau hat viele Jahre promisk gelebt. Ihr neuer Partner verachtet Promiskuität aufs Schärfste. Wie kann sie damit leben, dass ihr Partner sie eigentlich verachten würde?

Beispiel 3: Ein Mann hat früher homosexuelle Kontakte gehabt. Er weiß, dass sie solche Männer zutiefst verachtet. Kann er trotzdem mit dieser Frau glücklich werden?

Allgemein: Könntet Ihr dann damit leben, dass dieser Partner Euch nur deswegen schätzt, weil er Eure wahre, aktuelle Meinung und Euer nicht allzu lang vergangenes Vorleben eben nicht kennt? Weil er Euch für anders hält, als Ihr wirklich seid?

Persönlich sage ich dazu schon mal: Ich möchte, dass mein Partner mich und meine Moralvorstellungen in Ordnung findet und ich ihm gegenüber zu meinen Überzeugungen und auch meiner Vergangenheit stehen kann. Er muss nicht überall dieselbe Meinung haben, aber er muss in allen Bereichen mit meinen Überzeugungen leben können.

Ich möchte, dass mein Partner mich wertschätzt -- und nicht etwa nur ein stark beschnittenes, gefälschtes Bild meiner selbst. Ich möchte authentisch und aufrichtig sein können und vollständig angenommen und geliebt werden.
 
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  • #3
da sieht man sehr schön wie Mißverständnisse entstehen. Ein Partner kann ganz allgemein sagen, dass er solche Verhaltensweisen (wie in Deinen 3 Beispielen) verabscheut. Aber hinter diesen Verhaltensweisen verbirgt sich immer auch eine Person, die ihre persönlichen Gründe dafür gehabt hat.

Wenn der Partner dann, nach einer plausiblen Erklärung dieser Entscheidungen, diese 'frühere' Verhaltensweise in dem speziellen Fall immer noch verabscheut, dann könnte man sich Gedanken darüber machen, ob es in der Beziehung nicht passt. <MOD: Allgemeinplätze entfernt.>
 
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  • #4
Das sind ja eigentlich klassische Beispiele, bei denen ich mich fragen muss ob ich einen Partner mit solchen Moralvorstellungen ganz allgemein akzeptiere - nicht nur wenn es um mich geht.
 
  • #5
Liebe Frederika,

Zu (1) würde ich spontan bspw. sowas sagen wie: Wer aus purer Unachtsamkeit oder Gleichgültigkeit schwanger wird und sich dann zum Abbruch entscheidet, der tickt hier wohl generell etwas anders und kann es vielleicht auch mit sich ganz gut vereinbaren, dass der Partner das nicht in Ordnung findet.

Das muss aber so nicht stimmen, auch wenn es vielleicht naheliegend sein mag.

Generell würde ich gerade in dieser Frage sehr vorsichtig sein. Auch ein Partner, der Abtreibung ablehnt, wird wahrscheinlich mit einer gesundheitlich induzierten wenig bis keine Probleme haben (dann vielleicht eher mit der Tatsache, dass die Frau schon einmal von einem anderen schwanger war).

Zu allen anderen Punkten:
Ich persönlich könnte mich so nicht angenommen fühlen, hatte damit aber bisher auch keine Probleme.
Ich bin, wer und wie ich bin - take it or leave it.
In der Regel treffe ich auf keine Männer näher, die nicht (a) eine ähnliche Einstellung zum Leben haben oder (b) von meiner Lebensweise angezogen sind.

Als Querverbindung zum anderen Thread:
Ja, es gibt durchaus Dinge aus meiner Vergangenheit, die weiß nur ich, die würde ich nicht von mir preisgeben und da ich sie für mich mit mir selbst geklärt habe hätte ich wohl auch kein Problem, wenn ich wüsste, dass mein Partner das verurteilt.
 
  • #6
@#3: Ja, das sehe ich ähnlich. Man sollte miteinander sprechen und aufrichtig zueinander sein. Du plädierst doch auch gegen Lügen, oder? Leider sehen das nicht alle so.

@#4: Richtig, es sind so allgemeine Beipsiel, dass selbst, wenn es einen persönlich nicht beträfe, gemeinsame Moralvorstellungen wünschenswert wären. Leider hast Du nicht auf die Titelfrage geantwortet. Möchtest Du es wissen vom Partner? Würdest Du selbst die Wahrheit sagen?
 
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  • #7
Zu den Beispielen aus #1:
1) Nein, die Lüge macht nichts besser. Die Frau wird selbst unter ihrem Geheimnis leiden. In einer funktionierenden Partnerschaft sollte so eine Situation gar nicht vorkommen. Sie müsste es ihm sagen können, ohne dass er sie verachtet. Sie wird ihre Gründe gehabt haben. Wenn er das nicht versteht, ist er nicht tolerant. Es geht hier schließlich nicht um ein Kind, das in der gemeinsamen Beziehung gezeugt wurde. (Gottseidank kann ich hier nur theoretisch mitreden..)
2) Schon schwieriger - aber auch hier denke ich: Wenn die Partnerschaft wirklich eine sein soll, müssten beide mit viel Toleranz und Kompromissfähigkeit einander entgegenkommen können. So käme es gar nicht zu dieser Problematik. In der Vergangenheit promisk heisst ja nicht, dass sie immer promisk ist (Auch hier gottseidank nur theoretisches Wissen...)
3) Schade, dass es immer noch Menschen gibt, die Homosexualität verurteilen. Da ich mir das nicht vorstellen kann, habe ich hierzu keine Meinung. Offenheit, Ehrlichkeit und Vertrauen sind für mich die Grundpfeiler einer Beziehung.

Aber ich liefere auch noch ein Beispiel:

Mein ? von letztem Jahr hat mich übelst belogen und als Affäre missbraucht. Viele dieser Lügen kamen erst nach der Trennung heraus, weil es mir seine jetzt Ex-Frau damals erzählt hat. Ich hab mich sehr darüber aufgeregt und alle seine Lügen aufgedeckt. Kein schöner Zug, ich weiß. Dafür verachtet er mich bestimmt. Aber ich kann besser mit seiner Verachtung leben als damit, mir selber und meiner Wahrheitsliebe und meinem Gerechtigkeitsempfinden untreu zu werden. Solche Lügner lügen immer - über alles und über jeden. Bestimmt auch über mich. Aber das ist mir egal, weil ich keinen Kontakt mehr habe.

Ich hätte besser damit leben können, wenn er mir persönlich die Wahrheit zu seiner Person gesagt hätte. Hat er nicht - dafür verachte ich ihn.
 
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  • #8
Tolles Thema Frederika!!

Entlarvt so manch eine Lügerei als Selbstbetrug statt Fremdbetrug!

Ich will einen Partner der mich schätzt und nicht verachtet. Würde ich wissen, dass er mich verachten würde, wenn er nur genug über mich wüsste, dann wäre das schlimm. Auch wenn er es nie erfahren würde.

Wer ein wildes Leben hatte muss auch dazu stehen. Wie blöde würde es sich anfühlen wenn ich nur gemocht werden würde weil mich mein Freund für jemand anderen hält. Wenn ich nicht mal zu mir selbst stehen würde, zu wem dann?

w47
 
  • #9
es gibt Menschen, die sind pästlicher als der Papst. Selbst in der Bibel steht: "wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein".
Würden sich alle daran halten, würden sehr wenig Steine fliegen...

Ich z.B. habe ein Problem mit politisch rechtsstehenden Menschen - wäre mein Partner irgendwann in seiner Jugend in einer nationalsozialistischen Vereinigung gewesen und hätte inzwischen gelernt zu denken, würde ich das als Gesprächsthema und nicht als ein Problem sehen.
Ich bin überzeugte Pazifistin. Hätte ich einen amerikanischen Freund, der in jungen Jahren in Vietnam Menschen getötet hat, und fast daran zerbrochen ist, täte er mir leid. Sicherlich würde ich ihm gegenüber nicht die Moralkeule schwingen.
 
  • #10
@#9: Schade, dass Du nicht auf die Beispiele aus #1 eingehst, auf denen die Fragestellung eigentlich beruht. Deine Beispiele heben ja beide stark auf Reue und Wandlung, also quasi Selbstverachtung, ab. Wie aber würdest Du empfinden, wenn derjenige auch nachträglich noch zu seinem Verhalten steht?
 
  • #11
Was mir dazu im Übrigen noch einfällt:

Es gibt sehr sehr sehr wenige Menschen oder Lebensweise, dich ich VERACHTEN würde. Dazu gehört für mich ein gewisses Maß an Engstirnigkeit und Intoleranz.

Ausnahmen bilden eigentlich nur Extremfälle wie Kinderschänder etc.

Bei allen anderen kann ich Unverständnis haben oder mich bspw. distanzieren. Aber verachten? Ich weiß nicht... Ich glaube, das Konzept exisitiert für mich so nicht.

Und zur abschließenden Frage: Ich denke, in den meisten Fällen wird das so sein. Hoffe ich jedenfalls... Andersherum wird da wohl kaum eine langjährige und gute Beziehung draus...
 
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  • #12
Prinzipiell stimme ich dir zu, Frederika, wie du es im letzten Absatz #1 auch beschreibst! Genau so denke ich auch.
Man muss, meiner Meinung nach, allen möglichen Leuten, selbst nahen Verwandten, guten Freundinnen usw. bestimmte intime oder heikle Dinge aus seinem Leben NICHT erzählen.
Aber dem Partner sollte man solche Dinge schon erzählen können - das macht eine Liebesbeziehung ja u.a. auch exklusiv.

Ich denke aber, dass sich die Meinungen über bestimmte Dinge bei vielen Menschen im Laufe der Zeit und vor allem mit neuem Partner auch ändern (können). Sicher hat jeder so seine Prinzipien und Haltungen im Leben, und manche davon sind auch für denjenigen nicht veränderbar - das ist auch richtig und völlig in Ordnung!
Andererseits sind Moralvorstellungen und Meinungen heute weniger starre, in Stein gemeißelte Normen, von denen ein Leben lang nicht abgewichen werden kann.
Ich glaube, in der Alltagspraxis, im "wahren" Leben, akzeptiert man plötzlich Eigenschaften am Partner, die man früher inakzeptabel fand - eben weil man den Partner liebt!
Ein neuer Partner von mir ließ sich mal angewidert über die "Unsitte" aus, dass Frauen bei Heirat einen Doppelnamen annehmen. Ausführlich lässterten wir darüber ab!
Dann fragte ich ihn, was er aber machen würde, wenn ich, falls wir heiraten, unbedingt einen Doppelnamen nehmen wollen würde, bzw. wenn ich aus früherer Ehe sogar schon einen solchen hätte! Da sagte er: Na dann würde ich es natürlich nicht mehr so schlimm finden! ;-)
Ich glaube, so geht es vielen! Und darauf hoffen diejenigen, die "Vergangenheit verschweigen" unbewusst. Sie verdrängen eigene heikle Dinge aus der Vergangenheit ein bisschen, in der Annahme, dass der neue Partner das ja sowieso auch nicht so schlimm finden würde, weil er mich ja als Person liebt. Und diese Annahme ist vielleicht auch gar nicht so unrealistisch!

w42
 
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  • #13
@#5 von #4:

Möchte ich es wissen? Keine Ahnung. Mir fallen gerade keine Dinge ein, die ich so verachtenswert finde (bei gleichzeitig eher umstrittenen Moralfragen, s. Deine Beispiele), dass ich meine Partnerin gezielt danach fragen würde.

Würde ich wollen, dass meine Partnerin sich mir ungefragt offenbart? Keine Ahnung. Ich würde annehmen, dass sie mich von vornherein für inkompatibel hält.

Würde ich die Wahrheit sagen?
Kommt darauf an. Es mag Dinge in meiner Vergangenheit geben, die Anstoß erregen, die ich aber für mich selber als nicht zentral für meine Identität halte (nach dem Motto "habs ausprobiert, habs abgehakt"). Da würde ich mich wohl eher bedeckt halten, könnte aber eventuell damit leben dass der Partner das ablehnt, eben weil ich es nur als Fußnote in meiner Lebensgeschichte betrachte.
Wenn der Partner insistiert, würde ich es wahrscheinlich preisgeben, und dann mal sehen, wie der Konflikt so ausgeht.

Aber bei den Moralfragen aus Deinen Beispielen wäre ich sicher, dass wir feststellen würden, inkompatibel zu sein, bevor es um meine persönliche Geschichte geht.
 
  • #14
@#13: Nein, es geht hier auch nicht um Frage-Antwort.Spiele, sondern darum, ob man damit leben könnte, dass der Partner einen verachtete, wenn er nur genug wüsste -- das ist die Kernfrage!

Das hat vorallem mit unterschiedlichen Moralvorstellungen zu tun -- die verallgemeinerte Folgefrage ist daher ja, ob man grunsätzlich damit leben könnte, in für einen selbst fundamentalen Moralfragen abweichender Meinung zu sein. Schwangerschaftsabbruch, Promiskuität und Bisexualität sind daür drei meist tief gefühlte Themenbeispiele.
 
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  • #15
@14: Nein, ich könnte nicht mit einem Partner leben, der mich verachtet. (Überrascht?)

Ganz persönlich ist halt die Frage, ob der Partner *mich* für ein Ereignis in meiner Vergangenheit verachtet, ganz egal wie ich heute dazu stehe.

Aber die verallgemeinerte Folgeantwort ist ja auch:

Ich könnte nicht mit einer Abtreibungsgegnerin leben, auch wenn ich keine Frau bin.
Ich könnte nicht mit einer Homophoben leben, auch wenn ich nicht bisexuell bin.
Ich könnte nicht mit jemand leben, der Promiskuität verachtet, selbst wenn ich noch Jungfrau wäre.
 
  • #16
@#15: Danke, das sind klare Antworten. Interessant ist, dass Du alle drei Fragen unabhängig von Dir selbst siehst -- was den Themen zumindest in vielen Moralfragen ja eine andere Dimension verleihen würde.

Ich möchte aber anmerken, dass es hier keinesfalls um Homophobie geht, sondern gerade in diesem Falle der persönliche Aspekt nicht unter den Tisch fallen darf: Ich habe kein Problem mit schwulen Freunden oder Kollegen, aber ein Partner mit bisexueller Vergangenheit würde mich ekeln. Das ist also ein ganz wesentlicher Unterschied!
 
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  • #17
Es ist ja anonym hier. Ich habe vor sechs Jahren abgetrieben und ich stehe dazu. Ich könnte ganz bestimmt nicht mit einem Mann zusammen sein, der Frauen dafür verachtet, abgetrieben zu haben. Damit würde er ja auch mich verachten, auch wenn er es noch nicht wüsste. Ob ich es ihm unbedingt erzählen würde, ist ein anderes Thema.

Frederika hat wohl recht dass ein Paar ähnliche Ansichten haben sollte. Dann gibt es auch keinen Grund zu lügen. Dann fühlt man sich auch angenommen ohne über alles gesprochen zu haben. Das gilt auch für die politische Meinung in vielen anderen Themen.
 
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  • #18
Ich glaube bei solch extremen Beisielen wie genannt, hat niemand das Recht den anderen zu "verachten", sofern er nicht selbst diese Situation durchlebt hat. Kein Mann, der Jahre später kommt, kann erahnen, was eine Frau durchmacht, die abtreibt, z.b. weil ihr damaliger Partner das Kind nicht will, sie sitzen lässt, nicht untertsützt usw. usw. Es gibt keine theoretische Moral, der spätere Mann hat gut reden, solange er selbst niemals vor dieser Frage stand.....
Das Leben ist ja dazu da, an Erfahrungen zu reifen und diese in Erkenntnisse zu wandeln. Der heutige Mensch, den ein Partner jetzt kennen-und schätzen lernt, ist ja gerade die Essenz seiner in der Vergangneheit gemachten Erfahrungen, das macht seine heutige Persönlichkeit doch aus. Und wenn ein Partner den Menschen so annimmt wie er heute ist, dann nimmt er automatisch auch seine ganze Vergangenheit an. So soll es auch sein. Annehmen statt bewerten!
 
  • #19
@#18: Na ja, das klingt gut, ist aber zu kurz gedacht, wie ich finde. Ich stimme Dir vollkommen zu, dass "der heutige Mensch ja gerade die Essenz seiner in der Vergangneheit gemachten Erfahrungen ist" -- genau deswegen nimmt man einen Menschen mit seiner Vergangenheit an, wenn man ihn annimmt. Und genau das ist doch die Frage hier gewesen: Kann ich einen Menschen MIT seiner Vergangenheit annehmen, wenn ich einige Punkte aus der Vergangenheit entschieden ablehne? Sie gehören ja eben zu ihm als Menschen, haben ihn zu dem gemacht, was er heute ist und ich nehme mit ihm auch diese Punkte an.

Das könnte ich bezüglich Promiskuität und homosexuellen Kontakten zum Beispiel nicht. Wer früher promisk gelebt hat, ist für mich bezüglich Intimität verbrannt und wird mir niemals diesbezüglich gerecht werden können. Das gleiche gilt für bisexuelle Kontakte. Bezüglich Schwangerschaftsabbruch muss ich mir die Gedanken als Frau nicht machen, habe aber ohnehin eine liberale Einstellung.
 
  • #20
#19

Wenn das Produkt daraus gut & kompatibel ist, wo ist denn dann Dein Problem? Gerade bspw. in Bezug auf Promiskuität?

Ich kenne einige, die sich in ihrer Jugend durchaus die Hörner abgestoßen haben - die ich heute aber fast schon als Moralapostel bezeichnen würde :)

Sie haben für sich den Stellenwert von Intimität im Laufe ihres Lebens vielleicht erst gefunden, auf jeden Fall haben sie sich damit aktiv auseinandergesetzt und das Thema für sich persönlich definiert. Heute würden sie definitiv die gleichen Ansichten wie Du vertreten .

Die einen bekommen diese Werte vielleicht von vornherein mit, die anderen "erarbeiten" sie sich. Ds Ergebnis wäre das gleiche. Hättest Du damit denn auch Schwierigkeiten und wenn ja, warum?
 
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  • #21
Menschen ändern sich ja im Laufe der Jahre!

Sowohl Einstellungen zu bestimmten Themen, als auch Verhaltensweisen sind einem ständigen Änderungsprozess durch zusätzliche Erfahrungen ausgesetzt. - So soll es auch sein, das Leben lehrt uns schließlich, manches mit anderen Augen zu betrachten.
Wer hätte rückblickend keine Geschichte zu erzählen. die peinlich und richtig unmöglich war? - Oder gar gefährlich! Man bereut doch selbst solche Dinge am meisten und würde manchmal nachträglich am liebsten vor Scham in den Boden versinken!

Normalerweise kann jeder solche abgeschlossenen Themen mit dem Partner besprechen. Vernünftigerweise sollten abgehakte menschliche Schwächen eine Beziehung sowieso nicht mehr belasten. Ich möchte meinen Partner einfach nicht nach Jahren für etwas verantwortlich machen, das er selbst schon längst als falsch bewertet und bereut hat.

Frederika, deine Frage ist deshalb für mich schwer zu beantworten. Ich meine, in einer guten Beziehung sollten alte Sünden sowieso kein Grund sein, den anderen zu verachten.

Aber ok, ich versuche es trotzdem: Theoretisch kann ich mir vorstellen, dass es manchmal auch besser sein kann, nicht sämtliche Details aus dem Leben minutiös zu beichten.

Die Frage stellt sich mir jetzt:
Was ist schlimmer? Ein nachtragender, verachtender Partner - oder einer, der einfach ein Geheimnis bewahrt?
 
  • #22
@#20: Nun, Susanka, das Ergebnis ist eben nicht das gleiche, um auf Deinen letzten Absatz bezug zu nehmen. Ein Mann, der mit Dutzenden Frauen Sexualkontakte hatte, hat letztlich seine Intimssphäre verloren. Das erste gemeinsame Ausziehen, das erste gemeinsame nackte Kuscheln, der erste Sex zusammen ist für ihn nichts besonderes, nicht wahnsinnig aufregendes mehr, sondern schlichtweg Routine. Ja, da hat mal wieder eine Frau meinen Penis in der hand oder im Mund. Klasse.

Solche innere Verrohung, wie ich das gerne bezeichne, kann man nicht wieder verlieren, Intimsphäre sich nicht wieder erarbeiten, sie ist einfach unwiderruflich verloren. Ein Mann, für den ich Nummer 23 wäre, wäre für mich niemand mehr, mit dem ich Intimität gleichwertig auf Augenhöhe ausleben könnte. Ich möchte nicht eine von vielen sein, nicht seine Routinetechniken erleben, nicht die 23 sein, der er seine Liebe gesteht und die gleichen Kompliment macht.

Außerdem sind die Gesundheitsgefahren exorbitant. Promiskuität korreliert eng mit der Durchseuchung bezüglich sexuell übertragbarer Krankheiten, seien es HPV, HZMV, Herpes genitales und viele andere überwiegend unheilbare Krankheiten.
 
  • #23
#22

Hm, das kann ich zwar nur im Ansatz nachvollziehen - aber ok.

Ganz so stehen lassen kann ich es nicht, denn in Deinen Schilderungen übersiehst Du meiner Meinung nach, auf was es mir ja gerade ankam:

Zum ersten Absatz:
Doch, es IST für ihn (wieder) etwas besonderes. Deshalb hat er ja seine Einstellung geändert und lebt nicht mehr, wie früher, "promisk". Und ich glaube schon, dass sich Intimsphäre wieder rekonstruieren lässt.

Zum zweiten Absatz:
Vielleicht müsste man mal definieren, was wir unter promisk verstehen... Deine Dimensionen hier sind ja bezaubernd :)
Ich würde da mal eher von mehreren "Beziehungsversuchen" mit relativ kurzer Halbwertszeit und eventuell dem einen oder anderen one night stand ausgehen.
Und ich weiß nicht recht... Du hattest doch sicher auch nicht nur einen Partner. "Routinetechniken" im weiteren Sinne hat wohl jeder von uns, trotzdem würde ich für mich behaupten, dass der Sex mit keinem meiner Partner gleich war. Genauso wenig, wie er Deine Nummer 4 wäre, wärst Du seine Nummer 12.

Zum letzten Absatz:
Naja, das finde ich doch reichlich an den Haaren herbeigezogen. Die Vorsichtsmaßnahmen, die man zu Beginn einer neuen Beziehung trifft, sind doch immer die gleichen. Ob jetzt einer nur eine oder eben 11 vor Dir hatte - er muss durch die Tests. Damit ist doch in der Regel alles abgedeckt.
 
  • #24
Kompliment, Frederika, endlich mal wieder eine Frage mit geistigem Tiefgang! :)

Grundsätzlich habe ich dann ein großes Problem mit Lügen, wenn mir damit eine Gefahr für mich selbst verschleiert werden soll. Wenn es sich um eine Art Notlüge handelt, dann bin ich da toleranter. Sowas kann zum Beispiel passieren, wenn jemand vor längerer Zeit mal ganz andere moralische Werte hatte als heute, so dass es heute nicht mehr fair wäre, ihn an seiner Vergangenheit zu messen. Beim Promiskuitätsbeispiel könnte es sein, dass jemand im Teenageralter viel mitgenommen hat, was sich ihm geboten hat. Er war sich der gesundheitlichen Gefahren nicht bewusst und war überhaupt noch nicht reif für eine richtige Beziehung. Später hat er sich dann vielleicht selbst ein paar Mal verliebt und wurde aber hängengelassen von seinen flüchtigen Kontakten. Dadurch kam mit der Zeit die Einsicht, dass Beziehung nur dann wirklicht glücklich machen, wenn sie auf Langfristigkeit ausgelegt sind. In diesem Fall würde eine heutige Beziehung auf dem Altar der Offenheit geopfert werden, wenn er relativ schnell über seine Vergangenheit offen sprechen würde. Generell übernimmt derjenige, der Informationen bewusst verschweigt, aber auch die Verantwortung für sein Handeln.

Ein weiterer Grund, warum ich mit einer Lüge vielleicht leben könnte, wäre, dass die Lügensituation höchstwahrscheinlich kein zweites Mal auftreten wird. Das Schwangerschaftsabbruchbeispiel passt hier vielleicht ganz gut. Nehmen wir an, ich sei ein kategorischer Gegner von Abbrüchen und lerne eine Frau kennen, die schon mal abgetrieben hat. Wenn sie die Gründe für die ungewollte Schwangerschaft kennt und diese heute mit großer Zuverlässigkeit abstellt, dann wird es auch mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen zweiten Fall dieser Art geben. Ich persönlich wäre also in keiner Weise gefährdet. Sollte meine Ablehnung auf religiösen Gründen beruhen, dann wäre ein Verschweigen in der Tat moralisch verwerflich, denn es ist davon auszugehen, dass wir uns an anderen Stellen in der Beziehung wegen dieses Mismatches behaken werden. Eine solche Lüge wäre also auch unproduktiv.

Auch beim dritten Beispiel (Bisexualität) wäre wiederum eine Lüge unproduktiv, sinnlos und moralisch anzuprangern. Bisexualität hat aus meiner Sicht auf jeden Fall Auswirkungen auf unsere Beziehung, so dass ich davon erfahren möchte.
 
  • #25
@#24: Danke für das Kompliment, ThomasHH.

Lass mich meine Frage noch einen Schritt einfacher formulieren: Wäre es Dir recht, wenn Dein Partner Dein Verhalten moralisch verachtet? (also auch, wenn dabei keine Lüge involviert wäre, weil gar nicht darüber gesprochen wird)

Die Situation wäre also:

1) Die Frau hat abgetrieben. Der neue Partner erzählt ihr, wie extrem verachtenswert er Abtreibungen findet. Könnte Du Dich als Frau dann noch wohlfühlen?

2) Der Mann hat 30 Sexualpartnerinnen gehabt. Die neue Partnerin erzählt ihm, wie schrecklich sie promiskes Verhalten findet. Könntest Du Dich als Mann dann noch wohlfühlen?

3) Der Mann hat mal ein homosexuelles Verhältnis gehabt. Die neue Partnerin erzählt ihm, wie abgrundtief übel sie Bisexualität findet. Könntest Du Dich als Mann dann noch wohlfühlen?

Es geht mir auch schon bei der Titelfrage vorallem darun, ob man vor sich selbst damit leben könnte, dass der Partner mich verachten würde, würde er nur genug über mich wissen. Kann man damit leben?

Auf Deine Antworten bin ich gespannt!
 
  • #26
@#23: Tja, Susanka, da denken wir einfach in manchen Punkten anders.

zu 1) Ich bin mir sicher, dass sich verlorene Intimität nicht rekonstruieren lässt.

zu 2) Promiskuität ist im Kern dadurch gekennzeichnet, dass man Geschlechtsverkehr außerhalb von festen Beziehungen ausübt. ONS und Kurzaffären gehören auf jeden Fall zum promisken Verhalten.

zu 3) Nein, auf Herpes genitalis (HSV2), Zytomegalie (HZMV), Papillomaviren (HPV, > Feigwarzen und Gemärmutterhalskrebs) wird nicht standardmäßig getestet. Keine dieser Krankheiten ist heilbar. Die Durchseuchung korreliert eng mit der Promiskuität. HIV ist schon fast die unwahrscheinlichste Krankheit, Hepatitis B und C sind vergleichweise gehäuft unter promisk-lebenden Menschen.
 
  • #27
ich habe eben nochmal über diese Frage nachgedacht und bin zu dem Ergebnis gekommen, daß ich noch nie einen Partner, oder auch nur Freunde oder engere Bekannte hatte, diie so pauschale Urteile über einen der drei o.g. Punkte von sich gegeben hätten.
Offensichtlich habe ich großes Glück mit meinem Umfeld!

Offen gesagt wäre mir meine Zeit zu schade, um mich ernsthaft mit einem Menschen auseinanderzusetzen, der solche Themen in dieser Form abhandelt. Denn jeder differenziert denkende Mensch weiß, daß das WARUM entscheidend ist.

Ich könnte also nicht mit einem Partner leben der mich (oder sonstwen!) aus solchen Gründen verachten würde - weil ich nicht mit einem so einfach strukturierten Menschen leben könnte und wollte.
 
  • #28
@#25: Im Grunde ändert sich meine Antwort nicht wesentlich.

Zu 1.: In dem Moment, in dem er (ich bin ja in diesem Beispiel eine Frau) mir von seiner Abneigung erzählt, würde ich ihm ein paar Fragen stellen: Bezieht sich seine Abneigung in erster Linie auf eigene Kinder bzw. Embryos? Wenn er ja sagt, dann greift ja genau das, was ich schon oben sagte. Es wird kein wahrscheinlich kein zweites Mal passieren. In diesem Fall würde ich mich also noch nicht verachtet fühlen. Lehnt er Abtreibungen aus religiösen Gründen etwa generell ab, würde ich mich verachtet fühlen. Lügen würde ich dennoch nicht, weil ich weiß, dass uns dieses Problem irgendwann wieder auf die Füße fallen wird.

Zu 2.: Ich könnte dann damit leben, wenn ich schon seit etlichen Jahren seriöse Beziehungen geführt hätte und auch in diesem speziellen Fall diese Absicht habe. Wenn also meine promiske Zeit weit zurückliegt, als ich mir über die gesundheitlichen Gefahren vielleicht gar nicht im Klaren war (als sie vielleicht auch noch gar nicht so groß war) und als meine Moralvorstellungen einfach noch nicht so weit entwickelt waren. Wie zuvor betrifft mich ihre Verachtung dann gar nicht mehr. Wenn ich dagegen genau weiß, dass auch SIE wieder nur eine Übergangslösung ist, dann würde ich mich in der Tat ziemlich schlecht fühlen.

Zu 3.: Nein, in diesem Fall würde ich mich ziemlich Scheiße fühlen, denn eine "besondere Ausnahmesituation" (wie bei 1.) oder Läuterung (wie bei 2.) kann man hier als Argumente nicht anführen. Es liegt einfach ein grundlegender Mismatch vor und ihre Verachtung würde mich voll treffen.
 
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  • #29
Grundsätzlich wäre das alles ok, Lügen sind ein sehr wichtiger Bestandteil von zwischen menschlichen Beziehungen und ermöglichen es überhaupt erst das man einigermaßen vernünftig zusammen leben kann. Je näher sich Menschen sind desto wichtiger werden dementsprechend Lügen.
Die Frage in dieser Hinsicht wäre für mich eher die ob ich persönlich mit den anderen Moralvorstellungen meiner Partnerin leben könnte.

Bei Beispiel 1 kann es ja gut sein das die Frau eben heute nicht mehr zu ihrer Entscheidung steht abgetrieben zu haben es bereut und sich vll. selbst dafür verachtet. In dem Fall würde ihr Partner die Frau verachten die sie war und nicht mehr die sie heute ist und somit würde das ganze nur zu völlig unnötigen Problemen führen wenn sie sich ihrem Partner offenbart.
Wenn sie aber andererseits weiterhin zu ihrer Entscheidung steht und in jeder Hinsicht der Meinung ist das eine Frau das ganz alleine zu entscheiden hat dann stellt sich eben die Frage wie sie ihre eigene Moralvorstellung mit der völlig anderen ihres Partners in Einklang bringen will, in dem Fall wäre mir so ein Verhalten eher unverständlich.
 
  • #30
Mein Partner muss nicht alles gut finden, was ich gemacht habe oder mache. Aber wenn es wirklich "ans Eingemachte" geht, an grundsätzliche moralische Vorstellungen wie in den genannten Beispielen, dann ist mir Kompatibilität wichtig. Ich würde mich unwohl fühlen, nicht lügen, sehen, ob ich mit ihm über Gründe ins Gespräch komme. Und wenn das nicht klappte, dann passte es zwischen uns eben nicht und dann ginge es früher oder später zuende.
 
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