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  • #1

Sich auf einen neuen Menschen einlassen. Können wir das überhaupt`?

Mein Resultat aus den Datingbörsen ist, dass man der Versuchung nahe ist, eine Art Rasterfahndung zu betreiben. Wer nicht passt, darf wieder gehen. Ist es im normalen Leben nicht so, dass man Menschen kennen lernt, wirklich gut kennen lernt und dann passiert es: Man findet jemand anziehend, den man auf den ersten Blick gar nicht so anziehend fand oder man verliebt sich gar. Ich habe im Gespräch mit anderen gemerkt, dass solche Plattformen als eine Art Speedating genutzt werden. Man hat ab einem gewissen Alter keine Lust, weitere Enttäuschungen hin zu nehmen, wird zunehmend verkrampfter und damit stellen wir uns selbst das Bein. Denkt doch mal über eure erste Liebe nach? Hätte die nach den heutigen Auswahlkriterien oder Datingbörsen noch eine Chance? Was denkt ihr?
 
  • #2
Erste Frage: Sich auf einen neuen Menschen einlassen? Ja, das kann ich und das können wohl auch die meisten Kandidaten hier. Ich habe diesbezüglich überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Ganz im Gegenteil glaube ich, dass die meisten Teilnehmer sehr gerne wieder eine echte Partnerschaft hätten und sich auch darauf einlassen würden.

Unabhängig davon hast Du aber recht, dass die Katalogmentalität, das unrealistische Anspruchsdenken und die Selbstüberschätzung des eigenen Marktwertes dazu führen, dass Onlinedating wesentlich weniger konstruktiv ist als es sein könnte, wenn sich alle etwas vernünftiger, realistischer und pragmatischer verhalten würden. Aber nein, das wird dümmlich vom Funkenschlag beim ersten Date geträumt, da denken Frauen ihre beruflichen Erfolge würden Pluspunkte bringen und manche Männer denken, wedeln mit Geld würde reichen, obwohl innere Werte nahezu abwesend sind.

Zweite Frage: Ob die erste Liebe eine Chance hätte? Interessante Frage! Im nachhinein unter damaligen Bedinungen ganz klar ja. Unter heutigen wahrscheinlich nein, denn auch damals ist es ja aus bestimmten Gründen auseinandergegangen. In jungen Jahren achtet man mehr auf Gefühle als auf Kompatibilität -- und das sehe ich als Fehler, nicht als Vorteil. Herz UND Verstand müssen ja sagen.
 
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  • #3
Och, die erste Liebe hätte schon eine Chance. Theoretisch jedenfalls.

Praktisch ist genau DAS der springende Punkt:

In die erste(n) Liebe(n) konnte man(n) sich noch naiv und unbeschwert und überschwenglich in dem unverbrauchten Glauben an die (große und Kraft der) Liebe hineinstürzen.

Mit zunehmenden Pleiten, mehr oder weniger zerschmettert auf dem Boden der Realität, wird unübersehbar, dass die Liebe offensichtlich doch eine verdammt kurze Halbwertszeit hat. Im Grunde ist der unschuldige Zauber dahin.

Glücklich mögen diejenigen sein, die mit der ersten oder zweiten Liebe ein Leben lang glücklich wurden bzw. werden.

Alle anderen (mich eingeschlossen) befriedigen entweder mehr oder weniger lediglich ihre Bedürfnisse oder laufen Luftschlössern hinterher.

Auf einen Menschen einlassen? Ja, sicher. Aber (leider) nur noch in Erkenntnis des Sporadischen und Vergänglichen und daher nur noch unter gewissem Vorbehalt.

Nur ja sich selbst nicht verlieren und immer rechtzeitig zurückrudern können und mich lieber fein auf mich selbst verlassen.

Wie #1 schon schreibt: Unreingenommene Emotionen weichen kopflastiger Rasterfahndung samt Quartalsbilanzen. Leider!
 
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  • #4
Meine erste Liebe habe ich auch geheiratet. Wir waren 25 Jahre glücklich ( meistens). Jetzt bin ich Witwe.
Mein Mann ist bei unserem ersten Treffen durchgefallen. Ich fand ihn nicht gutaussehend.
Er hat nicht locker gelassen und ..- er wurde immer schöner.
Beim Online Dating ist das wohl nicht so möglich.
Obwohl ich auch dabei schon die Erfahrung gemacht habe, dass nach dem ersten Treffen meistens Vorbehalte sind die zur Absage führen.
Ich sage fast nie ab. Ich wünsche mir immer ein zweites Treffen. Einmal war es auch dann ein Erfolg. Zumindest kurz.
Wer direkt den Absageknopf drückt, ist selber Schuld. W 49
 
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  • #5
Ergänzend zu den ersten beiden Kommentaren möchte ich noch hinzufügen, dass ich glaube, dass sich viele Paare nicht mehr finden oder binden würden, hätten sie sich nicht im Alter zwischen ca. 15 und 20 gefunden. Es ist einfach so, dass man in seiner Jugend vieles nicht bedenkt, was später auf einmal wichtig ist. Jeder kennt x Paare, die eigentlich überhaupt nicht zusammen passen und wo man sich fragt, was die aneinander finden und wieso das schon so lang funktioniert hat. Ganz pragmatischer Ansatz: Weil sie aus Gewohnheit und ohne nachzudenken zusammen sind und bleiben.

Ich bin weiblich, Mitte 30, mein gesamter Freundeskreis ist in Beziehungen, die meisten davon seit 15 und mehr Jahren. Auch wenn ich selbst gern eine Beziehung hätte (manchmal ist es das, was ich mir am sehnlichsten überhaupt wünsche), würde ich mit keiner der mir bekannten Beziehungen tauschen wollen. Was sagt das über mich aus? Wahrscheinlich, dass ich - wie so viele - unrealistische Vorstellunge habe und deshalb wohl noch längere Zeit ein Single sein werde. Andererseits liegen mir Notlösungen halt so gar nicht, und so schlimm ist das Singleleben dann auch wieder nicht ...
 
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  • #6
#4 - genau so sehe ich das auch wie Du!!
In vielen Beziehungen, die ich kenne, denke ich, darin sind mir zuviel Kompromisse- würde also auch nicht tauschen wollen. Es wäre für mich auch eine Notlösung!
Wenn ein Single einmal gelernt hat, sein Leben aktiv zu gestalten, sowie Probleme und Glanzzeiten allein durchgestanden hat, bekommt man eine andere Denkweise als ein Mensch, der in einer Beziehung steckt und das eben nicht kennt - vielleicht einfach nur Angst davor hat!!

Aber zurück zumThema: Natürlich würde ich auch gern einen Mann kennenlernen, wo gemeinsame Interessen und Wellenlänge übereinstimmen, aber eben nicht auf Krampf und alles für jemanden aufgeben, dem das dann nicht passt! In unserem Alter weiß man eben, was man braucht bzw. nicht!! Hat nichts mit Berührungsängsten oder Angst vor dem "Einlassen" zu tun, jedenfalls nicht bei mir....
w/48
 
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  • #7
Gut, dass die Frage gestellt wurde. Es eröffnet sich damit ein ganz interessanter Aspekt, der mir gerade vor Augen führt, was mich im Innersten umtreibt und mich immer wieder zweifeln und zögern lässt, mir den sehnlichen Wunsch nach einer neuen, vertrauensvollen Partnerschaft zu erfüllen oder zumindest mich auf den Weg dahin zu begeben.

Die erste ganz große Liebe hielt 30 Jahre mit allen Höhen und auch Tiefen. Ich habe seinerzeit fast DREI Jahre gebaggert bis die unverbindlichen Kontakte verbindlich wurden und ich erhört wurde. Nach fast einem Jahr vom Zeitpunkt der Trennung im vergangenen Jahr war ich "darüber weg" und offen für etwas Neues.

Die Zweite Liebe, zumindest hielt ich sie anfangs dafür, war nach jetzigem Wissen nur ein Verliebtsein sensu Frederika (anderer thread: Unterschied Liebe/Verliebtsein). Es fühlte sich aber dennoch genauso an wie früher, wenn ich das so erinnere.

Jetzt erschien alles wie durch eine rosarote Brille und Unstimmigkeiten wurden verdrängt oder als unwichtig und vernachlässigbar erachtet. Letztlich endete es in einem Korb den ich von ihr bekam. Ich weiß nicht ob es der richtige Ausdruck ist - das Schlimme war bei der Enttäuschung für mich die Erkenntnis, dass es nicht half mit 120% dahinter gestanden zu haben und alles zu geben bereit gewesen zu sein. Wie oft kann man eine solche emotionale Kraftanstrengung bewältigen, sich völlig zu öffnen und fallen zu lassen?

Die pragmatische Betrachtung von #2 ernüchtert oder desillusioniert schon ein wenig, weil ich eigentlich immer alles auf eine Karte zu setzen gewillt bin keine halbherzigen Sachen mache und nicht wie manche, mehrere Eisen im Feuer halten kann. Quo vadis Pragmatismus oder Beharrlichkeit?
M52
 
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  • #8
@ 2
Ich sehe das auch so, von einem ersten Treffen erwarte ich, dass "er" sympathisch wirkt, dass ich mich wohl fühle, dass es etwas zum Reden und zum Lachen gibt....
Wenn das so ist, würde ich mich ein zweites, drittes Mal und auch noch öfter treffen. Ich weiß, dass ich erst dann meine Seele zeigen kann, wenn ich das Gegenüber besser kenne. Dieses Kennenlernen lassen viele Männer hier nicht zu. Sie erwarten nach zwei Stunden persönlichem Kontakt, einigen Mails und evtl. einem Telefonat, dass die große Liebe vorhanden ist. - Wie immer diese aussieht.
Liebe ist ein zartes Pflänzchen, sie wächst nur langsam und will gehegt werden. Dazu sind zwei Stunden einfach zu kurz.
Mir tut es um viele Absagen leid, die ich erhalten habe, weil es nach einer Stunde bei "ihm" noch nicht gekribbelt hat.

w,50
 
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  • #9
Ja, ich merke auch, dass ich inzwischen sehr vorsichtig geworden bin. nach zwei sehr langen Beziehungen (17 und 22 Jahren) und einer Trennung vor einem Jahr habe ich es gut geschafft, mit mir selber glücklich zu werden. Habe natürlich mein eigenes Leben, meine eigenen Ansprüche. Und suche ja nur nach einem Partner, der auch seinen Lebensrucksack auf dem Rücken hat. Auch die Männer haben also ihre Erfahrungen, ihre Verletzungen, ihre Hoffnungen. Am Anfang hatte ich auch irgendwie die Illusion, dass es "Wumm" machen muss und man ist verliebt und die Welt liegt rosig vor mir. Inzwischen habe ich begriffen, dass das Quatsch ist und mir auch selber viel mehr Zeit gegeben, hinzuschauen, wahrzunehmen, auch die kleinen Zeichen, großzügig zu sein, neugierig zu sein - und doch von mir auch viel zu geben, rauszulassen, auch zu riskieren. Sich auf einen Menschen einzulassen, bedeutet immer, sich verletzlich zu machen. Diese Erfahrungen machen wir in zunehmenden Alter immer häufiger. Das ist normal. Aber ich habe für mich entschieden, dass ich mich selber nicht verschließen will. Und ich merke gerade in einer beginnenden Partnerschaft, die seit 4 Monaten läuft, dass wir uns aufeinander zubewegen, und dass ich in ganz anderer Weise als früher sehr beglückt die vielen kleinen Veränderungen und SichÖffnen wahrnehmen kann. Aber das konnte ich übrigens auch erst dann, als ich rigoros alle anderen Kontakte abgebrochen habe und mich auf einen Menschen konzentriert und damit auch eingelassen habe. Anders gehts jedenfalls bei mir nicht.

w, 56
 
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  • #10
Meine Überzeugung: Es geht nur so - frau/mann muss sich einlassen mit klarer Haltung, vollem Bewusstsein, jedoch mit dem Wissen, dass wir bei einem Scheitern heil wieder zurückkommen oder herauskommen. Eine bestimmte Zeit schmerzt es, wir sind traurig, jedoch können wir durchaus ungebrochen uns wieder neu einlassen - so meine Erfahrung
w/60
 
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  • #11
... gerade wenn man sich - soweit angegeben - das Alter der hier Kommentierenden ansieht, hat man den Eindruck, dass das, was gelebtes Leben ausmacht, zumindest etwas vernachlässigt wird. Mit Mitte 20, also dem Alter in dem überlicherweise längerfristig angelegte Paarbindungen entstehen, sind beide Beteiligten noch weitgehend flexibel (Ausnahmen bestätigen auch hier... ).

Mit 45 oder 55 sieht das doch ein bisschen anders aus, da liegen eben 20 oder 30 Jahre Leben dazwischen. Leben, innerhalb dessen Präferenzen, Gewohnheiten, Abneigungen, Freunde, Familie usw. usf. entwickelt wurden - und in einer Partnerschaft ja schließlich oft gemeinsam (oder zumindest auf Basis entsprechender Kompromisse) - trotz aller Bereitschaft, sich auf Neues einzustellen.

Bei einer neuerlichen Partnersuche im etwas fortschritteneren Alter wünscht man/frau sich dann vielleicht schon, dass es passt, jedenfalls in den Grundzügen. Weil schließlich ist klar, man ist eben nicht mehr Mitte 20 und man möchte den Prozess auch nicht komplett neu aufrollen - das geht auch ohnehin nicht mehr. Und genau das erleichtert weder die Suche noch das 'Einlassen'. Der 'Katalog' also die Eckdaten sind dann vielleicht kleine Hilfen, geben erste Hinweise, alles Weitere bedarf der Zeit. Zwei Bücher, bei denen gerade mal das erste Kapitel geschrieben wurde, lassen sich leichter zu einem Roman aus einem Guss verbinden, als zwei Bücher, bei denen jeweils bereits das 10. von 15 Kapiteln geschrieben wurde ...

Kurz, wenn zwei Leute bereits ziemlich volle Koffer mit sich herumschleppen, dann ist es sicher ganz praktisch zu wissen, was da jeweils drin ist ... und deswegen geht das vielleicht mit dem Verlieben genauso schnell wie mit 20, aber mit dem 'Einlasssen' dann halt doch irgendwie langsamer ...
M/56
 
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