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Zunächst einmal ist Treue kein "Sollen", kein theoretischer Zustand, sondern in den allermeisten Beziehungen zunächst ein Ist-Zustand. Man verliebt sich, begehrt sich und geht eine Zweierbeziehung ein. Da herrscht einfach Treue, und zwar nicht aus Zwang oder wider Willen, sondern einfach so, oftmals sogar unausgesprochen, ganz natürlich und selbstverständlich. Treue ist eine Zustandsbeschreibung. Natürlich nur solange, bis sie nicht mehr gehalten wird. Dann herrscht Untreue. Ich finde es fast ein wenig perfide, einen Zustand als bloßes "Sollen" zu deklassieren.Warum also „erzeugt“ Treue Leiden? An der Vorstellung der Monogamie zerbrechen tausende Beziehungen, durch Eifersucht kommt es zu furchtbaren Gewalttaten [...] Unser "Sein" oder unser "Sollen".
Zweitens ist das Gefühl der Eifersucht doch nicht herbeigeredet oder widernatürlich oder nur aufgrund irgendwelcher Vereinbarungen existent. Eifersucht ist das Gefühl, das man spürt, wenn wichtige soziale Bindungen bedroht werden. Egal ob Kind zu Geschwistern, Erstfrau zu emposteigenden Zweitfrauen, Günstling zu Nebenbuhlern oder eben eine Partnerin auf eine andere Frau. Niemand von diesem Personen muss auch nur die Definition von Treue kennen, niemand muss jemals eine Vereinbarung geschlossen haben, niemand muss ein Versprechen erhalten haben, nein, er fühlt Eifersucht, einfach so, aus der Situation heraus. Die Natur hat doch dieses komplexe Gefühl nicht hervorgebracht, weil es sinnlos wäre, sondern es wurde evolutiv optimiert, weil es eine Warnfunktion hat, dass als wichtig empfundene Bindungen bedroht sind.
Kommune 1 hat es doch gezeigt: Man kann noch soviel Freiheit vereinbaren, Eifersucht kommt dennoch. Paarbeziehungen sind eben Zweierbeziehungen. Im Gegensatz übrigens zu Eltern-Kind-Beziehungen. Nicht alles, wo Liebe draufsteht, folgt den exakt gleichen Regeln. Mutterliebe und Paarliebe sind zwei unterschiedliche Dinge.
Ja, und was schließen wir daraus? Dass es OK ist? Ich schließe daraus auf mangelhaften Charakter und auf eine Verfehlung übelster Art.Den meisten Fremdgängern „passiert es“ eher, als dass sie sich das Fremdgehen vornehmen.
Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun? Wurde im Kommunismus denn weniger betrogen? Oder in anderen Wirtschaftsformen? Wenn schon, daann hat das mit Pluralität und Globalisierung, Aufklärung, Bedeutungsverfall der Religionen, weniger geeminschaftsstiftenden Elementen, mehr persönlicher Freiheit im Denken und Leben zu tun, also mit Gesellschaft, nicht aber mit der Wirtschaftsform.Wir leben in einer kapitalistischen Gesellschaft – die Moral greift immer weniger, aber es wird immer noch moralisch geurteilt.