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Ich kann andere Lebensformen respektieren, muss sie aber nicht für nachahmenswert halten. Ich kann lesen und begreifen, was Sie in Ihrem Buch schreiben, muss das aber nicht als richtige Form der Liebe und als schmerzbefreiend erkennen. (Ich will gar nicht schmerz- und leidenbefreit sein, das ist ein gesunder Barometer der (meiner) Psyche.)
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Aber ich gönne Ihnen ganz ehrlich viel Erfolg mit Ihrem Buch. Wünschen darf ich mir aber, dass sich nicht zu viele Menschen auch danach richten.
Vielen Dank!
Das Perfide an unserem Buch ist, dass eigentlich bereits alle danach leben und auch gar nicht anders können – trickreich wie wir Psychologen so sind, entwerfen wir eine Theorie der Liebe (und es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie – unsere Sichtweise), die alles mit einbegreift – wie gesagt auch Asexualität und die Quirkyalone-Singles die sehr glücklich alleine sind (Selbstliebe!), wie Sie vielleicht.
Wenn sich alle Menschen nach unserem Buch richteten, dann wäre jeder bemüht mit jedem Partner eine für beide/alle einvernehmlich zu lebende Form der Liebe zu finden. Das schließt eigentlich nur das Fremdgehen aus, was wir eben nicht propagieren, weil es gegen den guten Kern der Treue verstößt, gegen das Vertrauen, gegen die Einvernehmlichkeit. Es geht nicht um irgendeine Form der Liebe, sondern um eine Einstellung zur Liebe selbst! Und da geht es eben um alle Facetten.
Manche Klienten kommen zu uns und fragen, warum die Liebe sie so leiden lässt – indem sie versuchen dieses Leiden abzuschütteln, wehren sie sich gegen etwas, was sie unwillkürlich spüren und was ihnen den großen Wert dieser einen, besonderen Liebe zeigt. Ohne Schmerzen wäre diese Liebe nicht was sie ist. Ich würde sagen, dass wir an genau diesen Erfahrungen oft sehr viel mehr reifen, als an den „immerschönen“.
Wir alle tun, was wir tun (müssen?)! Das Buch möchte nur zu dem Schritt ermuntern es noch bewusster zu machen. Wer nichts anderes kennt – und kennen heißt wirklich verstehen - der trifft eigentlich keine Wahl, deshalb konfrontieren wir mit den anderen Formen, die tatsächlich machbar sind. Wir glauben aber, dass die meisten LeserInnen nach der Lektüre keine neue Liebesform wählen werden, aber wir hoffen, dass sie sich mehr auf ihre Form zu lieben einlassen und dass sie diese Form bewusster und liebevoller leben, d.h. nicht nur in Selbstliebe, sondern auch in Liebe zu allen Beteiligten.
Wenn das geschähe, könnten wir die Moral nach Hause schicken, denn wie Aristoteles sagte:
„Wenn auf der Erde die Liebe herrschte, wären alle Gesetze entbehrlich!“
In diesem Sinne
Holger Lendt