Der Verlust der Umgangsformen im Allgemeinen ist m.E. eine negative Folge all der gesellschaftlichen Liberalisierungen, die sich als Rattenschwanz der 68er-Bewegung breitgemacht haben. Bei allen guten Seiten, die diese Liberalisierungen zweifelsohne mit sich gebracht haben, lässt sich nicht bestreiten, dass sie eben auch negative Seiten hatten.
Im Online-Bereich wird das Ganze insofern noch verschärft, als ein verbreiteter "Irrglaube" darin besteht, Rechtschreibung usw. und, damit verbunden, die Grundregeln des formalen schriftlichen Umgangs hätten hier keine oder weniger Bedeutung. Viele Leute stören sich an "Hi"'s und "Hey"'s nicht, andere eben schon.
Das Ganze als "Innovation" oder "Aufgeschlossenheit" zu bemänteln, wie es #2 tut, und somit indirekt die Verfechter von Umgangsformen zu formalistisch-konservativen Trotteln zu stempeln und im Gegenzug die "Rotzbuben" in den moralischen Adelsstand zu erheben, ist m.E. der falsche Weg.
Dass ein Anschreiben mit "Hi" oder "Hey" als Zeichen von mangelndem Anstand und Respekt gegenüber der angeschriebenen Person verstanden werden kann (genauso wie das Anbehalten der Kopfbedeckung in einem geschlossenen Raum vonseiten eines Mannes), kommt vielen Leuten halt gar nicht in den Sinn. Darauf aufmerksam gemacht, sind leider auch nur wenige bereit, ihr Handeln (bzw. Schreiben) zu ändern oder zumindest in Frage zu stellen - jeder sei schliesslich, so wird dann argumentiert, so wie er sei, und das sei bekanntlich (frei nach Klaus Wowereit) "gut so"!