Hier darf man nicht monocausal argumentieren. Die moderne Welt unterscheidet sich in so vielen Aspekten -- Joberwartung, Familiensituation, persönliche Selbstverwirklichung, Wertekanon, Religion, Freundeskreis, etc -- von einer Welt, wie wir sie vor 50 Jahren kannten.
Ich versuche, auf ein paar einzugehen:
1. Job: Oftmals geprägt durch extrem hohe Erwartungen, alles muss hier, jetzt, sofort passieren; Firmen bieten immer weniger inneren Zusammenhalt, sondern sind darauf getrimmt, den Shareholder Value zu maximieren. Karriere machen erfordert nicht nur maximalen Einsatz, sondern auch das Agieren in einem firmenpolitischen Umfeld, und das ist nicht immer "sauber". Ist der Typ in der Kaffeeküche mein Kollege, mein Freund oder meine Konkurenz für die nächste Stufe? Ist die indisch klingende Stimme am Telefon ein Teamplayer oder jemand, der mich demnächst ersetzen soll?
Sowas verschleißt Leute.
2. Familie: Die traditionellen Rollen in der Familie zerfallen. Lebenslange Bindungen und das Bewusstsein, "für die Familie" da zu sein, wird durch Selbstverwirklichung und Lebensabschnittspartner ersetzt. Das ermöglicht zwar mehr Spielraum, aber gibt den Leuten weniger Halt, weil niemand mehr so richtig weiss, was die Erwartung "der Gesellschaft" ist, und jeder versucht, alle Rollen auf einmal auszufüllen. Geht häufig schief.
3. Wertekanon: Im Adenauer-Deutschland war noch sehr klar, was "gut, richtig und normal ist, was sich gehört, und was abnormal ist". Es gab einen übereinstimmenden grundlegenden Gesellschaftsvertrag. Das gab jedem eine grundsätzliche Ausrichtung, in die er sich eingefunden hat. Heutzutage ist Wertepluralismus angesagt. Ich bin sehr großer Fan davon (und finde den 50er-Jahre-Kanon zum Weglaufen), aber ich glaube auch, dass er zu einer Unsicherheit geführt hat, wer man ist, was man machen soll und wonach man sich richten soll. Es gibt immer weniger die "Roadmap fürs Leben", sondern viele Wege. Versucht man alle gleichzeitig zu gehen, verläuft man sich im Gestrüpp.
Über die Frage kann man sicher ein Buch schreiben, ein so kurzer Absatz wird dem kaum gerecht. Persönlich fällt mir auch auf, dass so verdammt viele Leute zwischendurch in eine Lebenskrise stürzen. Diejenigen, die daraus gestärkt hervorgehen, haben aufgrund ihrer Reife meine tiefe Bewunderung.
--JoeRe, 7E1F7A5D
...und warum soll ich nochmals erwachsen werden?