Ich verabscheute Tätowierungen. Vielleicht liegt die Ursache darin begründet, dass ich 18 Monate in fünf DDR-Gefängnissen (aus politischen Gründen) saß, und die Einzige unter hunderten weiblichen Häftlingen war, die keine Tätowierung hatte. Und wo sich diese Mädels überall tätowierten, kaum zu fassen. Quer über den Haaransatz auf der Stirn und im Schambereich ließen sie den Namen ihrer Loverin eintätowieren. Mit Ruß von den Schuhsohlen, Farbe aus Kugelschreiberminen und Zigarettenasche. Wenn die Liebschaft in die Brüche ging, hatten sie die Not, ihre Liebes-Tatoos wieder zu entfernen. Meistens brannten sie diese mit glühenden Zigaretten aus, so dass sich große Brand- und später Eiterblasen entwickelten. Für mich war das ein Unding. Ich zucke schon vor einer Impf-Spritze zurück, und da sollte ich mir ein unbrauchbares Kunstwerk stechen lassen. Niemals käme das in Frage, und ich mag es auch nicht bei meinem Gegenüber. Nicht einmal, wenn er ein ähnliches Schicksal hatte wie ich oder wenn er Seemann war. Tätowierungen haben auch viel mit Langeweile zu tun. Derjenige, der sich Kunstwerke auf die Haut einstechen lässt, weiß mit seiner Freiheit, Freizeit und seinem Geld nichts anzufangen. Ich hatte kürzlich ein Buch gelesen (tue ich auch) - "Die Haifischfrauen". Eine dieser Hawaianerinnen war mit einem japanischen Geschäftsmann verheiratet, dem ein Stück des kleinen Fingers fehlte und der außer im Gesicht überall tätowiert war. Sogar am Penis, den er für ihre Lust noch mit Perlen unter der Haut verdicken lassen hatte. Beide wussten, dass die Tatoo-Farbe für seine Gesundheit abträglich war. Als er einem Kopfschuss zum Opfer fiel, suchte die Frau seine Geschäftspartner aus der japanischen Mafia-Szene auf und bat die Fachleute, dass sie ihren Mann enthäuten und diese tätowierte Haut in einem Rahmen wie einen Raumteiler aufstellen. Das geschah. Als die Sonne diese Haut erhellte, sah das Bild aus wie eine einzige Landschaft - und mit dieser hielt die Frau ihre Zwiesprache. Einerseits ist das Buch von einer starken Grausamkeit, andererseits aber auch voller Poesie. Es hat mir gut gefallen, ich kann die Autorin jedem empfehlen. (58, w., 7E1FB12A)