Liebe Smilla,
ohne alle Vorpostings gelesen zu haben möchte ich auf deine Eingangsfrage antworten.
Ich denke schon lange nicht mehr in Schubladen, dennoch begegnen auch mir Menschen/Situationen, von denen ich im ersten Moment denke, das oder den hätte ich jetzt nicht gebraucht, analog deinem Piercing-.Beispiel.
Ich habe die Einstellung, dass nichts (und ich meine damit: NICHTS) zufällig geschieht.
All diese Situationen oder konträren menschlichen Verhaltensweisen fordern mich heraus, meine Haltung zu überdenken + mich weiter zu entwickeln. Dabei spielt es keine Rolle, ob dann eine Annäherung oder eine Verhärtung der Fronten stattfindet, wichtig ist, wie ich den Prozess wahrnehme. Meine Betrachtungsweise in deinem Beispiel wäre also: warum will mein Sohn sich piercen, wo ich das schrecklich finde, es ungesund ist + es 13 gute sachliche Gründe dagegen gibt.
Nach Überdenken der Situation könnte meine Erkenntnis sein: meine Lernaufgabe ist, mich wieder hinein zu fühlen in die Jugend (was habe ich alles getrieben, um zu einer Gruppe zu gehören, *Erinnerung kram*), ihn verstehen zu lernen, diese veränderte Zeit, in der er lebt, verstehen zu lernen, zu begreifen, dass er soweit ist, eigene Entscheidungen zu treffen, deren Suppe er auslöffeln muss usw. Seine Lernaufgabe könnte sein, zu erkennen, dass seine Mutter sich nicht Sorgen macht, weil sie es ihm nicht gönnt, sondern gute Gründe hat, zu erkennen, dass sie ihn dorthin bringen will, sich selbst zu akzeptieren, ohne von einer Mode abhängig zu sein, dass sie seinen Selbstwert stärken möchte, dass es also mindestens einen Menschen gibt, der ihn ohne das dämliche Piercing liebt
Man/beide Seiten können das unendlich ausbauen.
Erkennen wir unsere Lernaufgabe nicht und einer setzt sich halt auf grund von Machtkämpfen, oder weil er Tatsachen schafft, durch, so wird uns eine neue, anspruchsvollere in der gleichen Lernkategorie serviert (das nächstjüngere Kind fängt noch früher an und möchte sich die Brust vergrößern lassen- zum Beispiel).
Zurück zu mir: ich versuche also in solchen No Go Situationen immer, den Fügungen, den vermeintlichen Schicksalsschlägen, dem Grund, warum ich genau diesem und nicht jenem Menschen genau jetzt begegne auf die Schliche zu kommen. Dies läuft in meinen Gehirn mittlerweile per Automatik ab.
Ich selektiere damit auch ganz schnell aus, mit wem ich mich austauschen möchte + kann und mit wem nicht. Es gäbe also Menschen hier im Forum, die würde ich bei einem Realtreffen höflich begrüßen + verabschieden, mehr nicht. Weil ich weiß, ich kann an ihnen nicht wachsen, sie haben mir nichts zu geben, als ihr Schubladendenken und genormte Lebensweisheiten. Sie stecken in einer Entwicklungsphase, die ich 15 Hare hinter mir habe.
Hier nehme ich mir das Recht , analog Thomas Beispiel von der Marlboro-Frau sofort zu entscheiden ich brauch dich nicht (kennen lernen / mit dir diskutieren), diese Erfahrung habe ich schon anderweitig gemacht, für mich geklärt und damit abgehakt.
Des weiteren gibt es quasi Clones von früheren Diskussionspartnern, mit denen habe ich schon so oft geübt, es gab früher keinen Konsens und das potentielle Wachstum erschließt sich mir nicht oder ich will es nicht sehen. So habe ich zum Beispiel keine Lust mehr, mit Hundehassern oder Verfechtern der Todesstrafe zu diskutieren, weil: es gibt am Ende weder Aufeinader zugehen, noch Frieden, noch Sympathie und solche Gespräche rauben allen Beteiligten nur Energie, also lasse ich es sein.
Ich treffe meine Entscheidung, mich mit einer No Go Bekanntschaft auseinander zusetzen also "lediglich" danach: bringt mich diese Herausforderung voran oder raubt sie mir Energie? Bringt sie mich voran, kann daraus ein für andere- wundersame Freundschaft trotz extremer Gegensätze entstehen und ich sehe nicht über das "Piercing" hinweg, im Gegenteil, ich schaue genau hin.
Abseits von solchen grundlegenden Verschiedenheiten mit Freunde/Bekannten/Verwandten wünsche ich mir einen Lebenspartner, mit dem ich max. zwei Drittel im Gleichklang bin und mind. ein Drittel verschieden bis sehr verschieden, denn ich will nicht stehen bleiben. Ich schätze die stete Herausforderung, ich will dem anderen gerne seine eigene Denkweise lassen.
Aktuell: Ich zum Beispiel tauche gerne und fahre Ski. Mein Partner jetzt kann/will beides nicht. Ich habe kein Problem, das wir für begrenzte Zeiten getrennt verreisen, solange es genug Platz für Gemeinames gibt. Ich hätte aber sehr wohl ein Problem, würde er einen Konsens verlangen (gib dein Hobby auf und spiele dafür Golf), oder würde er stark rauchen -, weil ich ungern dauerhaft Aschenbecher küsse. Dies wäre also eine ersthafte Bedrohung der Beziehung, denn:
Ich betrachte es nicht mehr als meine Lernaufgabe, Gerüche schön zu finden, die ich jetzt gräßlich finde und auch nicht, noch einem Suchtkranken mehr mühsam aus der Sucht zu helfen weil das nämlich alleine (Lern-)Aufgabe ist.
Liebe Smilla, stell dir eine Welt vor, in der jeder Mensch, der ein No Go in dir auslöst, dir gleichzeitig Vergnügen bereitet, weil du dich gespannt fragst: was kann ich lernen, wozu ist es gut, wo kann ich meinen Horizint erweitern, wo kann ich Loslasssen?
Natürlich, nicht immer löst sich alles zufriedenstellend in Wohlgefallen auf und es verbleiben trotzdem einige A*** auf dieser = in meiner Welt. Aber meine Welt ist deutlich besser, seit ich diese Haltung habe.
LG
Mary