Nun, Neid ist eine typisch menschliche Eigenschaft - wenn auch eine sehr schlechte. Des Weiteren neigen so gut wie alle Menschen dazu, sich mit anderen zu vergleichen, um zu wissen, wer und wie sie selbst sind, wo sie stehen, ob sie eigentlich Grund zur Zufriedenheit oder Unzufriedenheit haben. Ferner sind auch Vorurteile etwas völlig Normales - wenn ebenfalls nicht gut. Ich habe manches Mal Leute von sich sagen hören, sie hätten keine Vorurteile. Nachdem ich ein Buch von einem Psychologieprofessor über das Thema Vorurteile gelesen habe, kann ich behaupten: Es gibt schlichtweg keinen Menschen, der keine Vorurteile hat. Viele der Vorurteile, die wir haben und die uns unbewußt lenken, haben wir aber noch nicht mal bemerkt.
Was die von Dir angesprochenen Threads angeht, kann ich Dir teils zustimmen, teils eben nicht. Gerade der Thread über teure Accesssoires, auf den Du wohl anspielst, wurde engagiert und kontrovers diskutiert - aber nicht unbedingt gehässig. Hier prallen eben einfach die verschiedensten Lebensentwürfe und -einstellungen ungebremst aufeinander. Die meisten Leute haben auch nichts gegen diejenigen, die sich gerne mit "schönen" Dingen umgeben. Es wurde aber - meiner Meinung nach ganz zu Recht - zu bedenken gegeben, daß die schönen Dinge nicht immer teuer sind und die teuren Dinge nicht immer schön - sinngemäß zumindest. Daß Stil nicht vom Preisetikett abhängen muß. Und es kam raus, daß die meisten Menschen es - meiner Meinung nach ebenfalls zu Recht - unangenehm und unsympathisch finden, wenn ein Mensch mit den teuren Dingen protzt wie ein eitler Pfau, der seinen Schwanz auffächert.
Das macht auch mir diese Leute, die man z.B. in Düsseldorf auf der Kö trifft, so unsympathisch. Sie sind eigentlich gar keine Menschen, die Schönheit lieben. Sie lieben nur den Reichtum, Statussymbole und wollen damit protzen. Und das läßt letztlich darauf schließen, daß sie ihr Selbstbewußtsein vor allem aus ihren Statussymbolen ziehen. Dafür gibt es dann allerdings auch kein anderes Wort als "armselig" mehr - und das ist einfach nur treffend und nicht gehässig.
Ferner zu Deiner "Nichtraucher" und "militant"-Behauptung. Ich habe diesen Thread genau verfolgt und mich daran beteiligt. Und weder ich noch ein anderer hat behauptet, alle Nichtraucher seien militant. Aber der ursprüngliche Fragensteller war ohne jeden Zweifel militant. Er hat seine Meinung absolut provokativ und kämpferisch vertreten und propagiert. (Mal ganz nebenbei hatte ich das Gefühl und habe das auch mehrmals zum Ausdruck gebracht, daß es dem Fragesteller mitnichten um andere Meinungen ging. Er wollte meiner Meinung nach lediglich seine Meinung propagieren. Die Frage "Wie sieht die Forumsgemeinde das?" war nur ein Vorwand, um die eigene Meinung kundzutun. Und der Fragesteller hat auch nicht die Bereitschaft erkennen lassen, auch nur einen Millimeter von seiner bereits extrem festen Meinung abzurücken.) Nicht nur ich hatte das Gefühl, daß dieser Mensch auch in anderen Lebensbereichen zu extremen Ansichten und Verurteilungen neigen könnte. Vielleicht liegen wir damit richtig, vielleicht auch nicht. Aber wer seine Meinung so dermaßen provokativ und gegenüber Rauchern eigentlich schon wieder beleidigend kundtut, muß mit solchen Schlußfolgerungen rechnen.
Mal abgesehen davon, daß er mir auch noch frauenverachtend vorkam. An der Benutzung des Wortes "Weib" habe zumindest ich mich massiv gestört. Jemand entgegnete daraufhin, im süddeutschen Raum sei "Weib" durchaus liebevoll gemeint. Ob der Fragesteller aber aus dem süddeutschen Raum kam, das wußte niemand und - solange ich den Thread verfolgte - hat sich der Fragesteller dazu auch nicht bejahend geäußert. Demnach muß ich davon ausgehen, daß das Wort beleidigend gemeint ist, so, wie es im Rest der Republik verstanden wird. Aus seinen Sätzen klang es für mich so, als suche er eine Frau eigentlich nur zum Kinderkriegen und nicht zum Lieben. Auch zu dieser von mir und anderen geäußerten Befürchtung hat sich der Fragesteller nicht eingelassen.
Nun zu Deinem Beispiel "zickige Knochengerüste". Da gebe ich Dir Recht. Mollige und dicke Menschen fühlen sich zu Recht diskriminiert wenn jemand etwas Abwertendes oder gar Böses über ihre Figur sagt. Aber einige von ihnen neigen dann dazu, in derselben Weise abwertend über schlanke oder sehr schlanke Menschen zu sprechen. Das ist natürlich nicht richtig und letzten Endes albern. Vor allem deshalb, weil diese Beleidigung nicht dieselbe Durchschlagskraft besitzt. Zu schlank zu sein, wird eben nicht so negativ oder teils als gar nicht als negativ betrachtet, wie, zu dick zu sein. Da können sich die Dicken auf den Kopf stellen, die versuchen, sich so zu wehren. Aber komischerweise wird diese verbale Entgleisung den meisten Dicken nicht übelgenommen.
Ähnliches ist mir im Verhältnis von Studierten und nicht-Studierten aufgefallen. Den meisten Leuten fällt es sehr negativ auf, wenn sich Akademiker über nicht-Akademiker negativ auslassen. Daß das in der Tat schlecht ist, darüber müssen wir nicht reden. Sagt aber ein Handwerker, Studenten seien faule Menschen, die sich in einem geschützten,realitätsfremden Raum aufhalten und Akademiker seien arrogante, weltfremde Menschen mit zwei linken Händen, findet das oft Beifall und ich habe noch nie erlebt, daß dagegen jemand - außer mir - etwas eingewendet hätte. Aber wahrscheinlich liegt es hier wie bei dem Beispiel mit den Dicken und den Dünnen auch. In vielen Fällen haben Akademiker nun mal einen höheren Status und teils auch mehr Einkommen als Nicht-Akademiker. Ferner haben sie meist mehr Macht und Einfluß auf der Entscheidungsebene. Und so wird es eben als korrekt empfunden, wenn quasi von "unten" nach "oben" beleidigt wird. Ausnahmen bestätigen die Regel - ich möchte nicht diesbezüglich einen neuen Thread lostreten.
Daß Du keine Vorurteile und Schubladen kennst, glaube ich Dir - mit Verlaub - nicht. JEDER Mensch hat Vorurteile und Schubladen im Hirn. Die einen mehr, die anderen weniger. Es ist schlichtweg nicht möglich, keine zu haben. Die einen versuchen, etwas dagegen zu unternehmen, die anderen nicht. Bei manchen Bereichen merken wir selbst, daß wir Vorurteile haben, bei anderen Feldern müßte das erst mit ausgefeilten psychologischen Untersuchungen zutage gefördert werden. Und natürlich haben Vorurteile ja auch ihr Gutes, wenn natürlich das Negative auch überwiegt. Irgendwo gibt es fast immer einen Kern der Aussage, der zutrifft.
Daß die Deutschen z.B. oft als humorlos und spießig gelten, finde ich zwar in dieser Pauschalität falsch und es macht mich wütend. Wenn ich mir aber Leute angucke, die hierzulande ein normales, ja spießiges Leben führen, aber einmal im Jahr auf Mallorca sich aufführen wie wildgewordene Affen und sich da gerieren wie Kings, und Bedienungen und weiteres Servicepersonal schlecht behandeln, dann verstehe ich, woher das Bild kommt. Auch, wenn damit vielen Deutschen Unrecht getan wird. Daß Deutsche im Vergleich zu anderen zu Rechthaberei neigen, erkennt man an der Flut von Zivilklagen und strafrechtlichen Anzeigen und Strafanträgen...
Und oft behütet uns ein Vorurteil auch vor Gefahren. Wenn ich eine bestimmte Personengruppe oder bestimmte Situationen nicht kenne, mich aber unbewußt konform zu meinen Vorurteilen verhalte, kann mich das manchmal vor schlimmem Schaden bewahren. Beispiel Zigeuner - ich weiß, man sagt Sinti und Roma. (Wobei ich letztens gehört habe, daß einige Angehörige dieser Gruppe sich selbst als "Zigeuner" bezeichnen und auch darauf stolz sind.) Wenn ich das Vorurteil habe, daß Zigeuner zum Klauen neigen, dann tue ich vielen von ihnen Unrecht. Aber wenn ich in Länder wie Italien, Polen oder Rumänien und dort vor allem in Touristenmetropolen fahre und mich aufgrund dieses Vorurteils von aufdringlich bettelnden Zigeunern fernhalte, bin ich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit einem Diebstahl entkommen. Denn daß EINIGE Angehörige der Roma und Sinti in organisierten Banden, die mafiaähnlich funktionieren, mittäterschaftlich Diebstahl begehen, wird niemand in Abrede stellen wollen.
Schlußendlich kann ich noch auf eine Diskussion verweisen, die hier vor einigen Tagen geführt wurde, in der es mal wieder um sog. "No Gos" u.ä. ging. Dabei stellte ich fest, daß Leute immer dann gereizt auf die No Gos von anderen reagieren, wenn dieses No Go in negativer Weise betrifft. Man selbst nimmt sich aber natürlich auch weiterhin raus, No Gos zu haben. Ob man die dann postuliert, ist eine andere Frage. Denn auch hier gab es Leute, die behaupteten, sie hätten keine No Gos im Kopf. Auch das glaube ich niemandem. Wir alle haben Dinge, die wir bei einem Partner unbedingt haben möchten, die wir keinesfalls tolerieren würden aber natürlich auch Dinge, wo wir verhandlungsbereit sind.
Vicky