Manchmal habe ich das Gefühl, auf dem falschen Stern gelandet zu sein, seit ich hier lebe - und das sind jetzt immerhin schon 44 Jahre ...
Ich habe nicht alle Antworten auf die Fragestellung gelesen, aber die meisten, die ich gelesen habe, haben mich wahnsinnig geärgert, weil sie so absolutistsich sind.
Nr. 3 hat mich sehr positiv berührt, dafür hat mich Nr. 4 am meisten wütend gemacht. Ich kann nämlich aus unser eigenen Firma ein Liedchen davon singen, wie es ist, wenn man verdammt noch mal einfach nicht raus kommt aus dem Sch...laden! Weil nämlich zu wenig Leute da sind für zu viel Arbeit, weil die Erwartungen der ´"Firma" immer höher aufgehängt werden - und weil die Konkurrenz aus Asien leider nicht schläft und man, ob man will oder nicht, zusehen muss, dass man möglichst alles sofort zu erledigen hat. Ich weiß genau: Wenn ich dies und das und jenes nicht jetzt noch fertig mache, dann werde ich morgen noch weniger wissen, wie ich es gebacken kriege. Und trotzdem gehe ich dann zu Unzeiten aus dem Büro, wissend, dass auf meinem Schreibtisch noch Stöße von Arbeit liegen, die EIGENTLICH heute noch hätten erledigt werden sollen, weil morgen früh noch was Neues dazu kommt und die Kunden aber wegen der alten Geschichten mit Sicherheit noch lauter schreien werden.
Ich hatte schon Tage dabei, da habe ich morgens um kurz nach acht eine E-Mail begonnen, es klingelte dann 1000mal das Telefon, zig Kollegen kamen und brauchten was, der Chef lädt kurzfristig zu einer Besprechung ein - und dann habe ich abends um die gleiche Zeit (nämlich kurz nach acht) meinen PC runtergefahren und festgestellt, dass die E-Mail vom Morgen immer noch halbfertig auf dem Bildschirm herumdümpelte, weil ich es einfach nicht geschafft habe, sie fertig zu schreiben. Wer selbst nie in solcher Situation war, kann das natürlich nicht nachvollziehen. Und übrigens: Ich bin nicht, wie jetzt vielleicht die meisten denken mögen, eine Führungskraft. Nein - ich bin Exportsachbearbeiterin in einem Betrieb, der sich extremst mit der asiatischen Konkurrenz auseinanderzusetzen hat und der sich selbst dementsprechend gut aufstellen muss. Meine Arbeit erhält nicht nur meinen eigenen Arbeitsplatz, sondern auch den der Kollegen in der Fertigung, denn ohne meine Aufträge hätten diese nichts zu produzieren. Umgedreht ist es natürlich genauso.
Und wenn ich dann sehe, dass die Kollegen im Außendienst alle einen Blackberry haben und dazu verdonnert werden (von der GL), diesen immer an zu haben, auch im Urlaub erreichbar zu sein, weil sie sonst diesen Job verlieren, dann denke ich, dass es mir noch gut geht. Obwohl auch ich für Notfälle im Urlaub auf meinem Privathandy erreichbar sein sollte, so wird es gewünscht. Und Führungskräfte trifft es noch härter. Einer unserer Geschäftsführer (ihm gehört die Firma nicht, nein) ist derzeit in Urlaub in Mexiko - allein ich habe in den letzten drei Tagen fünfmal mit ihm telefoniert, weil ich eine dringende Entscheidung von ihm brauchte. Es ist nicht deren Wunsch, so gestresst zu werden - denn wenn es der Wunsch wäre, dann wären sie nicht gestresst, sondern entspannt, weil sie es lieben würden.
Wie gut und wie wichtig ist für solche Menschen ein Partner an ihrer Seite, der Verständnis für sie hat, bei dem sie in der wenigen freien Zeit, die sie haben, zur Ruhe kommen und sich ein bisschen frei fühlen können! Das ist Liebe - für den anderen da zu sein. Liebe hat nicht ausschließlich was mit Prioritäten zu tun, Liebe hat etwas damit zu tun, dass man die Zeit, die man miteinander hat, auch wirklich LEBT, dass man diese Zeit mit Sinn und Leben füllt. Liebe willl geben, nicht haben. Und wenn so ein Mann (könnte auch eine Frau sein, siehe Nr. 3) spürt, dass er verstanden und erst genommen wird, dann wird er sich auch öffnen. Wenn er hingegen nur eine weitere Erwartungshaltung erfüllen soll, wird er sich fühlen wie eine ausgequetschte Zitrone, denn Erwartungshaltungen muss er schon im Beruf genügend erfüllen.
Und hier setzt für mich der wichtigste Punkt an: Eine Partnerschaft ist nicht dazu da, das Fehlende in mir zu ersetzen! Ich habe nicht das Recht, von meinem Partner irgendwas zu verlangen und zu erwarten, dazu ist er nicht auf dieser Welt. Jeder sollte auch mit sich selbst zufrieden sein können, und mit einem verlässlichen Freundeskreis, schönen, sinnvollen Freizeitbeschäftigungen oder z.B. mit sozialem Engagement kann man seine eigene Zeit, die man allein verbringen muss, durchaus ausfüllen. Ich denke, das das der Grund der meisten Scheidungen ist: Dass - vor allen Dingen von weiblicher Seite her - zu viel Druck ausgeübt wird und zu wenig Bereitschaft zum schlichten Da-Sein und Geben vorhanden ist. Wenn ich viel von mir gebe, ohne dafür etwas zu erwarten, dann werde ich irgendwann auch reich dafür belohnt. Und ich finde, dass eine erfüllte Partnerschaft durchaus auch in weniger gemeinsam verbrachter Zeit stattfinden kann - wenn diese Zeit wirklich von Liebe und Sinn erfüllt ist.
Damit abschließend meine Antwort an die Fragestellerin: Wenn er Dir etwas bedeutet - heißt: wenn Du ihn wirklich liebst -, dann versuch doch einfach mal, nur für ihn da zu sein. Wenn Ihr zusammen seid, gib ihm das Gefühl, dass Du sein Ruhepol bist. Vielleicht wird ihm das so gut gefallen, dass er von sich aus versucht, mehr Zeit für Euch zu haben. Heißt: Ja, er kann sich ändern. Aber in den meisten Fällen sind wir Frauen dafür zuständig, das Nest zu bereiten. Die Männer werden immer Jäger bleiben. Aber wenn sie von der Jagd heimkommen und sich an ein kuschliges Feuer setzen können, an dem schon eine liebende Frau wartet, dann werden sie es gern tun. Und das hat nichts mit Egoismus zu tun. Es ist einfach dieses Gefühl: "Ich MUSS das jetzt noch fertig machen, sonst ..." - es hat etwas mit Nicht-loslassen-können zu tun. Aber Loslassen kann man tatsächlich lernen. Bin selbst grade tapfer dabei. ;-) Bemühe Dich um ihn, aber quetsch ihn nicht aus und setze ihn nicht unter Druck.
Liebe Grüßen + viel Glück
Britta