Wie lange es dauert, hängt wohl sehr von den Umständen der Trennung ab. Besonders tiefe und schmerzende Narben bleiben zurück, wenn beim anderen Enttäuschung der Trennungsgrund war, obwohl man keinen Grund zur Enttäuschung gegeben hat. Wenn also zwar spürbar wird, daß es einen Grund gibt, aber dieser Grund aller Bitten zum Trotz nicht ausgesprochen wird und man ihn sich auch nicht zusammenreimen kann, weil man ja nichts getan hat und noch nicht einmal weiß, in welche Richtung man überhaupt denken soll.
Unterstelltes Fremdgehen wäre so ein Fall. Vielleicht hat ihr irgendeine Freundin erzählt, sie hätte ihren Freund mit einer anderen Frau gesehen, und sie packt dann mit einem "du weißt schon warum" ihre Koffer, obwohl der Mann nicht den leisesten Grund einer Ahnung hat, was denn vorgefallen sein könnte. Und jetzt passiert etwas, das dem Mann vollends das Genick bricht: er rekapituliert mögliches Fehlverhalten seinerseits, entschuldigt sich dafür, verspricht daß er sie noch mehr auf Händen tragen wird - in ihren Augen ein klares Schuldeingeständnis.
Es dauert Jahre, bis so etwas verarbeitet ist. Immer und immer wieder werden in schlaflosen Nächten die letzten gemeinsamen Tage in Gedanken durchgekaut, hin und wieder tut sich ein Lichtblick auf, gefolgt von einem "war es das?" Brief, auf den natürlich keine Antwort kommt.
Irgendwann ist vielleicht auch der richtige Ansatz dabei, wer weiß. Sollte sie die Briefe überhaupt lesen, wird es sie vielleicht wie ein Blitz durchzucken, sie wird ihren Irrtum erkennen, aber zur Umkehr ist es ja längst schon viel zu spät, es sind bereits vollendete Tatsachen geschaffen, ein anderer Freund, vielleicht sogar eine Ehe und Kinder.
Sie wird also nicht antworten, und mithin hört auch die Suche nach dem Grund nicht auf, kann die Verarbeitung noch nicht einmal beginnen, denn wo sollte sie denn auch ansetzen?