Liebe FS,
ich sehe das nicht ganz so wie Du, sondern etwas gedämpfter, aber das globale Desinteresse am anderen, was heute den Alltag bestimmt, macht mir das Leben auch schwer. Ich habe mich damit abgefunden, dass ich allein bin und allein bleiben werde. Mehr noch, nach ganz vielen frustrierenden Erlebnissen, habe ich es einfach aufgegeben und mache mein Ding, sorge dafür, dass es mir gut geht. Die anderen interessieren mich mittlerweile genauso wenig wie ich sie interessiere.
Das hat mich in vielen Dingen rücksichtsloser gegenüber meiner Umwelt gemacht, aber ich fühle mich, nicht mehr wie ein Loser. Ich schau einfach nicht mehr hinter mich, ob noch jemand kommt, sondern lasse die Tür zufallen, nicht aus Rache oder so, sondern, weil ich andere garnicht mehr zur Kenntnis nehme, so wie sie mich auch nicht. Die sind Gegenstände, mit einer ähnlichen Relevanz für mein Leben wie Ampelmasten oder Papierkörbe - machmal nützlich, manchmal störend, meistens total egal.
Ich habe deswegen keinen Frust, hatte ich nie. Aggressive Gefühle sind nicht mein Ding. Früher hat es mich oft in depressive Stimmung versetzt, jetzt dominiert totale Gleichgültigkeit. Mich interessiert nur noch, was mir ein gutes Gefühl verschafft und da habe ich mir Dinge gesucht, für die andere keine Rolle spielen.
Im Cafe kann ich schön frühstücken und Zeitungs lesen oder ich verleide mir das Leben, weil ich andere mit Partnern und Freunden sehe und mich schlecht fühle. Ich habe mich für ersteres entschieden, aber auch dafür, wenn andere sich mit an den Tisch quetschen wollen "nein" zu sagen, weil mir das dann schlechte Gefühle macht, nicht dazuzugehören. Man wird ja in solchen Situationen nicht einbezogen, sondern die "Besatzer" versuchen ja, den nicht dazugehörigen wegzumobben. Gleiches gilt, wenn ich auf der Bank sitze und ich ganz auf die Kante rücken soll, damit eine Clique Platz findet - da müssen sie sich wohl eine andere Bank suchen - ich mache das nicht merh, will ja in Ruhe lesen und ein schönes Erlebnis mit anderen Menschen kommt aus solchen Situationen nicht heraus.
Ähnlich verfahre ich mit Nicht-Grüßen im Fitnessstudio, Nicht-Platz-räumen im Bus usw. Ich habe das Verhalten der Mitglieder der Ich-Partei einfach übernommen. Ich hätte es gern anders, aber die vielen Negativerlebnisse haben gemacht, dass ich einen Schutzmechanismus aufbauen musste.
Ein gerütteltes Maß an Egoismus schützt vor dem Frust, der einem das Leben verleidet.