Meine wilde Theorie:
Ich gehe ernsthaft davon aus, das Bindungen ein biologisch fest eingebautes Grundbedürfnis sind, dass man nicht einfach ausbauen oder abschalten kann. Wenn wir von der Trennung erfahren, die uns selbst betrifft, schaltet unser Körper schlagartig auf Schmerz um.
Wie kann das sein?
Ich erkläre mir das anhand eines anderen Beispiels: wir alle haben das Bedürfnis nach Nahrung. Wenn wir die Nahrung nicht bekommen, sterben wir. Damit das nicht passiert, hat die Evolution Gefühle (oftmals Schmerzen) erfunden. Die sagen uns rechtzeitig Bescheid, dass ein Bedürfnis nicht erfüllt ist. Sie treiben uns dazu, die Bedürfnisse zu befriedigen, also Nahrung aufzunehmen. Genauso mit Durst oder der Verdauungsabfuhr ;-) So funktioniert unser Körper seit Urzeiten: Gefühle zeigen nicht erfüllte Bedürfnisse an! Diese "Mechanismen" hat die Evolution garantiert nicht ohne Grund in unseren Körper und wohl auch in den aller anderen Tiere "eingebaut". Das scheint mir eine sinnvolle Einrichtung der Evolution zu sein. Mit dieser Annahme können wir aus der Tatsache, dass es einen Trennungsschmerz gibt, darauf rückschließen, dass es ein entsprechendes Bedürfnis nach Bindung gibt.
Warum gibt es ein Bedürfnis nach Bindung?
Für das Beispiel Hunger ist ziemlich offensichtlich warum, die Evolution uns dieses Gefühl als Warnsignal verletzter Bedürfnisse fest eingebaut hat, aber nun könnte man meinen, Bindungen und Trennungsschmerz sind doch eigentlich überflüssig und nicht überlebensnotwendig wie Nahrungaufnahme wie die evtl. die Fragestellung suggeriert, aber mit ein wenig Nachdenken, scheint es offensichtlich, warum das so ist: schon ein Säugling hat ein Hungergefühl, aber hat ein Säugling schon gelernt, dass Hunger durch Nahrung gestillt werden kann? Als Säugling konnten wir das Gefühl wahrscheinlich nicht einmal deuten. Vor der Geburt gab es das wahrscheinlich noch nicht. Danach spürten wir nur einen "Schmerz" (von dem wir später lernten, dass er "Hunger" heißt). Wir schrien als Säugling vor Schmerzen und unsere Mutter wusste es zu deuten. Wahrscheinlich ist das ein Lernprozess, der von der Mutter durch Brustheranführung und der Evolution durch Saugreflex unterstützt wird. Und vielleicht entsteht auch dabei auch eine besondere Bindung der Mutter an das Kind! Irgendwann lernten wir als Säugling, wenn dieses Gefühl auftaucht, beseitigt man es durch Nahrungsaufnahme. Aber wenn wir zudem nicht die Bindung zwischen Mutter und Kind hätten, hätte das Kind vielleicht das Hungergefühl nie zu deuten gelernt und hätte nicht langfristig überlebt. Und ebenso gäbe es wahrscheinlich kein/kaum überlebende Säuglinge, wenn nicht die Eltern sich paaren und das Kind gemeinsam in Zusammenarbeit aufziehen würden, also ist auch dort zwischen den Eltern eine Bindung erforderlich.
Und so müssen wir lernen hinter ALL unseren starken Gefühlen die Bedürfnisse zu deuten! Die Gefühle sind oft negativ wahrgenommene Schmerzen, aber es gibt auch positive Gefühle. Wir können dabei nicht nur positive und negative Gefühle unterscheiden, sondern wir lernen mit der Zeit jedes einzelne Gefühl zu unterscheiden. Auf diese Weise, nehmen wir nicht fälschlicherweise Nahrung auf, wenn wir eher auf Toilette gehen sollten ;-) Ist das schönste Gefühl und genau das Gegenstück zum Trennungsschmerz vielleicht das Verliebtsein? Erinnert Ihr Euch noch an das allererste Verliebtheitsgefühl Eurer Jugend und den inneren Lernprozess/den Gedanken: "Achso, dieses Gefühl ist dann wohl das Verliebtseinsgefühl." Offensichtlich wohl eines der Gefühle, die wir erst "spät" lernen, sodass wir uns noch bewusst an den Lernvorgang erinnern können.
Was passiert beim Verliebtsein und Trennungsschmerz im Körper?
Ich erkläre mir das am Beispiel von Stress: wenn wir geistig die Information einer real drohenden physischen Gefahr aufnehmen, dann schüttet der Körper z.B. Adrenalin aus und schaltet damit vom Normalzustand in einen Stresszustand. Er soll für schnelle Reaktionen im Kampf sorgen (kein langes Nachdenken), er soll Energien für die Flucht bereitstellen, er soll Vorbereitung für Verletzungen schaffen. Der Körper wird durch die Information, die durch den Geist strömt, stark und schnell auf einen anderen Modus umgeschaltet. Dabei geschehen elementare, chemische Vorgänge aufgrund von Informationen, die das Gehirn verarbeitet und bewertet hat. Das können wir nicht bewusst steuern, im Sinne von: jetzt bitte x ml Adrenalin bitte. Das entzieht sich unser Kontrolle und ist fest im Körper eingebaut.
Die Evolution hat uns also offensichtlich ein Bedürfnis eingepflanzt, uns einen Partner zu suchen. (Warum nur, so was Dummes aber auch, das macht doch nur Schwierigkeiten und Scherereien und schafft soviel Unglück. ;-) Wenn dieses Bedürfnis nicht erfüllt wird, obwohl ein "geeigneter" Partner in der Nähe scheint, spüren wir Verliebtheitsgefühle als "Warnsignal" die Chance nicht verstreichen zu lassen. Dann bitte schnell handeln! ;-) (Umgekehrt muss das Verliebtheitsgefühl sich auch schnell einstellen, sonst ist der geeignete Partner schon wieder weg, also nicht wundern wenn es schnell geht, insbesondere bei den Männern, wenn sie den aktiven Part übernehmen müssen ;-)
Wenn der Geist feststellt, dass es mit dem Partner schlecht läuft, dann mischt er uns mit irgendeinem chemischen Cocktail ("Trennungsschmerz") so richtig auf! Das ist dann wohl wie eine kurze Depression. Und DESWEGEN erträgt man es nicht, auch wenn keine offensichtlich körperliche Verletzung vorliegt.
Wir nehmen also ein Bedürfnis nach Bindungen an. Wenn wir es erfüllen, spüren wir die Verliebtheit (als "Belohnung"). Wenn wir es verletzen, spüren wir den Trennungsschmerz (als "Strafe"), aber was passiert, wenn wir bewusst Bindungen meiden wie in der Fragestellung vorgeschlagen? Dann erhalten wir keine Belohnung und auch keine Strafe. Aber dann fühlen wir uns möglicherweise irgendwann einsam und geraten möglicherweise ebenfalls in Depressionen und zwar chronische Depressionen. Es soll doch schon die Experimente mit isolierten Menschen gegeben haben, die aufgrund von Einsamkeit nicht überlebt haben. Ich schätze mit den Bindungen ist es ähnlich. Ich würde wetten, ohne Bindungen gerät unser chemisches Gleichgewicht durcheinander und macht uns krank.